Kiel. Dafür, dagegen, kein klares Pro oder Contra - beim hochsensiblen Thema Sterbehilfe gehen die Positionen auch innerhalb von Parteien oft weit auseinander. Ein Gerichtsurteil hat die Debatte neu entfacht.

Schleswig-Holsteins Sozialminister Heiner Garg hat das Sterbehilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts begrüßt. "Ich bin davon überzeugt, dass ein Mensch unter strengen Auflagen selbst entscheiden können sollte, ob und wann er seinem Leben ein Ende setzt", sagte der FDP-Politiker am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Selbstbestimmung müsse in jeder Lebenslage gelten, auch am Ende des Lebens. "Daher halte ich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für konsequent und richtig."

Das Urteil verpflichte auch dazu, ein gutes palliativmedizinisches Angebot und eine gute Hospizstruktur zu garantieren, sagte der Minister. "Menschen müssen darauf vertrauen können, in ihrer letzten Lebensphase Pflege, Geborgenheit, Fürsorge und Zuwendung zu erhalten."

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verstößt das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gegen das Grundgesetz. Die Bundesregierung will das Urteil zunächst prüfen und auswerten. Erst dann will sie über mögliche Maßnahmen entscheiden.

"Das Urteil setzt ein klares Statement für die Stärkung der individuellen Souveränität der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland", sagte der Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Henrik Herrmann. Es schaffe auch Klarheit zum Entscheidungsspielraum von Ärzten. "Sie dürfen selbst entscheiden, ob sie Menschen in dieser Hinsicht unterstützen wollen oder nicht."

Die Reaktionen aus der Landespolitik fielen bei diesem Gewissensthema sehr unterschiedlich aus. "Ich begrüße dieses Urteil ausdrücklich nicht", sagte der religionspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Tobias von der Heide. "Wir müssen uns für den Schutz des Lebens einsetzen und bejahen das Leben." Es dürfe kein Geschäft mit dem Tod geben.

In einer ausweglosen Situation könne Sterbehilfe eine Hilfe sein, sagte der CDU-Sozialpolitiker CDU-Abgeordnete Werner Kalinka. "Sie unterliegt aber einem hohen ethischen Anspruch an alle Beteiligten." Der CDU-Innenpolitiker Claus Christian Claussen begrüßte das Urteil. "Die Menschenwürde umfasst auch das Recht auf menschenwürdiges Sterben." Auch aus der SPD gab es differenzierte Reaktionen. "Nach meiner Meinung sollte es eine humane Sterbebegleitung wie in Hospizen immer geben, individuelle Hilfe in besonderen Notlagen muss für Ärzte ohne rechtliche Gefährdung möglich sein und zugleich muss gewerbsmäßige Sterbehilfe strikt ausgeschlossen bleiben", sagte Fraktionschef Ralf Stegner. "Zu einem selbstbestimmten Leben in einer aufgeklärten Gesellschaft gehört auch die Möglichkeit, über das eigene Ende zu bestimmen", sagte Fraktionsvize, Martin Habersaat. "Niemand sollte gezwungen werden, im Falle einer unheilbaren, tödlichen Krankheit auf den Tod zu warten." Der SPD-Innenpolitiker Kai Dolgner begrüßte das Urteil ausdrücklich.

Es gebe bei diesem sehr sensibles Thema keine einfachen Antworten, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Marret Bohn. Es sei gut, dass das Gericht Nachbesserungen am Gesetz fordere. "Würde und Selbstbestimmung jedes Menschen gelten auch am Lebensende", sagte Bohn, die auch Ärztin ist. Für sie persönlich sei der Wunsch nach Sterbehilfe für Patienten mit unerträglichem Leid nachvollziehbar.

Es sei richtig, die Selbstbestimmung schwerkranker Menschen gesetzlich zu stärken, sagte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. "Zu einem selbstbestimmten Leben eines Menschen muss im Zweifel auch die Entscheidung gehören können, sein Leben zu beenden und dafür professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen." Der Bund müsse zügig ein neues Gesetz erarbeiten, das das Gerichtsurteil berücksichtigt, aber auch klar formuliert, unter welchen Bedingungen Sterbehilfe erlaubt wird. "Es geht darum, den Menschen, die unter furchtbaren Schmerzen leiden, ein selbstbestimmtes Ende in Würde zu ermöglichen."

"Wir respektieren das Selbstbestimmungsrecht des Menschen und begrüßen, dass Ärzte, die Patienten in diesem Recht unterstützen, nicht bestraft werden", sagte der rechtspolitische Sprecher der AfD, Claus Schaffer. Sterbehilfe dürfe aber nicht zu einem Geschäftsmodell werden.

Nach seiner Auffassung gehöre zu einem selbstbestimmten Leben auch die eng begrenzte Möglichkeit, seinem Leben selbstbestimmt ein würdiges Ende setzen zu können, sagte SSW-Fraktionschef Lars Harms. Nun müsse zügig Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen werden.