Hamburg. In die erste Liga der Hamburger Plätze hat es der Gertrudenkirchhof nie geschafft. Das soll sich baldmöglichst ändern. Künftig soll er eine höhere und seiner Lage zwischen Binnenalster und Kontorhausviertel angemessene Aufenthaltsqualität bekommen. Dafür soll der Platz, so sieht es die Stadt in ihrem neuen Konzept für eine attraktivere Innenstadt vor, vom „ruhenden Verkehr“ befreit werden.
Erst einmal aber muss die gigantische Baustelle verschwinden, die den Gertrudenkirchhof aktuell prägt. Seit 2014 baut Stromnetz Hamburg hier das 1958 in Betrieb genommene Umspannwerk Mitte um und tauscht in den umliegenden Straßen Kabel aus. Bis 2024 dauert die Maßnahme, die das Unternehmen als „Operation am offenen Herzen“ bezeichnet. Denn während hinter der fensterlosen Fassade des Umspannwerks neue Decken und Wände gezogen, Altanlagen zurück- und moderne Technik eingebaut werden, muss die Stromversorgung aufrechterhalten bleiben. Von hier aus wird beispielsweise der Strom für die Hamburger Hochbahn und für verschiedene Einkaufszentren geliefert.
Gastronomie soll einziehen
Weil sich in den vergangenen Jahrzehnten die Technik für Hochspannungsschaltanlagen immer weiter verbessert hat, wird künftig nur noch ein Viertel des Gebäudes benötigt. So musste früher zwischen den Strom leitenden Komponenten der einzelnen Schaltanlagen ein sogenannter Freiluftabstand von mehr als einem Meter eingehalten werden. Heute wird ein Isolationsgas verwendet, wodurch der Abstand auf wenige Zentimeter verringert werden kann. Was mit der freien Fläche im Innern des Gebäudes geschieht, steht nach Angaben von Stromnetz Hamburg noch nicht fest.
Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing wünscht sich, dass auf jeden Fall Erdgeschosszonen aktiviert werden – und beispielsweise Gastronomie einzieht, die auch den Gertrudenkirchhof selbst belebt. Eine von seiner Behörde in Auftrag gegebene Visualisierung zeigt, wie das aussehen könnte: Dort wird die flächige Fassade des Umspannwerks im Erdgeschoss durch hohe Fensterflächen aufgelockert. Davor stehen Tische und Stühle auf dem Plateau des Platzes – und auch auf der Straßenseite gegenüber, wo sich unter anderem der Kultplattenladen Michelle Records befindet, sitzen die Leute draußen – dort, wo jetzt noch überall Autos stehen.
Umgestaltung mit wenigen Handgriffen möglich
Wie der Platz selbst gestaltet werden soll, steht ebenfalls noch nicht fest. „Man muss darüber nachdenken, ob hier nicht ein kleiner Park, eine Art ,grüne Pause‘ als Kontrast zu den steinernen Flächen an der Spitalerstraße entstehen könnte. Der jetzige Platz schöpft die Qualität des Raums noch nicht vollständig aus“, so Höing.
Eine weitere Umgestaltung wäre „mit wenigen Handgriffen“ möglich und solle natürlich mit Bürgerbeteiligung stattfinden. Von einem grünen Gertrudenkirchhof, so Höing, werde nicht nur die unmittelbare Umgebung profitieren. Schließlich liege der Platz an der Strecke, die vom Ballindamm durch das Kontorhausviertel Richtung Speicherstadt führe.
Der 1350 als Pestfriedhof angelegte Gertrudenkirchhof hat schon eine Reihe von Umgestaltungen hinter sich. Ende des 14. Jahrhunderts wurde hier die den Namen gebende Gertrudenkapelle errichtet, in der Armenbegräbnisse durchgeführt wurden. Der achteckige Bau fiel beim Großen Brand 1842 den Flammen zum Opfer. Später war der Gertrudenkirchhof eine von niedrigen Hecken gesäumte Grünfläche mit einem Denkmal in der Mitte. Im Zweiten Weltkrieg errichtete man unter dem Platz eine Bunkeranlage, die es dort noch heute gibt. Von den 70er-Jahren an präsentierte sich der Gertrudenkirchhof dann als trister, überwiegend von Drogenabhängigen und Obdachlosen aufgesuchter Un-Ort. 2006 wurde er umgestaltet, erhielt eine viele Meter lange, illuminierte Bank und wurde, um das Gefälle zwischen Rosen- und Lilienstraße auszugleichen, plateauartig erhöht.
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1,25 Millionen Euro hatte die Maßnahme damals gekostet, die von ansässigen Unternehmen wie der HSH Nordbank, Vattenfall und dem Kontorhaus Bach, aber auch der Stadt finanziert worden war. Der Umbau durch das Kontor Freiraumplanung wurde damals im Architektur-Jahrbuch mit einem ersten Preis in der Reihe „Beste Projekte 1989– 2008“ ausgezeichnet.
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