Kiel. “Fassungslos und tief erschüttert“ - Der Landtag in Kiel gedenkt der Toten der mutmaßlichen Terrortat von Hanau mit ausländerfeindlichem Hintergrund. Ministerpräsident Günther sprich von einem feigen Angriff auf die freiheitliche Gesellschaft.

Tief erschüttert haben führende Politiker aus Schleswig-Holstein auf den mutmaßlich rassistischen Anschlag von Hanau mit elf Toten reagiert. Der Landtag gedachte zum Auftakt seiner Sitzung am Donnerstag der Opfer in der hessischen Stadt mit einer Gedenkminute. "Angesichts dieser Taten stehen wir fassungslos und tief erschüttert vor diesem Geschehen", sagte Landtags- Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber (SPD). Alle Abgeordneten erhoben sich für die Gedenkminute von den Sitzen.

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach den Angehörigen der Opfer seine Anteilnahme aus. "Es ist erschütternd, wie viele Menschen dort getötet wurden", sagte er. In Hanau hatte ein 43-jähriger Deutscher zehn Menschen und sich selbst erschossen. Die Tat sei ein feiger Angriff auf eine friedliche und freiheitliche Gesellschaft, sagte Günther.

Der Todesschütze hatte laut Generalbundesanwalt Peter Frank eine "zutiefst rassistische Gesinnung". Das hätten die Auswertung von Videobotschaften und einer Art Manifest auf dessen Internetseite ergeben. Neun Tote hätten einen Migrationshintergrund. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts.

Eickhoff-Weber erinnerte an die Landtagsdebatte vom Vortag über die Thüringen-Krise und rechtsextremes Zündeln: "Gestern noch haben wir in diesem Hause über den wachsenden Hass gesprochen, der sich in Teilen unserer Gesellschaft ausbreitet", sagte sie. "Wir nehmen mit großer Sorge zur Kenntnis, dass dieser irrationale Hass immer öfter in offene Gewalt umschlägt.

Die Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes stehen laut Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) in engem Kontakt. "Wir haben gerade laufend Rückkopplungen sowohl mit dem Verfassungsschutz als auch mit der Polizei, wir werden also laufend auf dem neuesten Stand gehalten", sagte Grote der Deutschen Presse-Agentur vor der Sitzung des Landtags. Nach nach den ihm derzeit vorliegenden Erkenntnissen gebe es keine Bezüge zu Schleswig-Holstein.

Der Anschlag zeige auf erschreckende Weise, wie aktuell das Thema "Keine Chance für Rechtspopulismus und Rechtsextremismus" am Vortag im Landtag gewesen sei, sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. "Ausgerechnet an dem Tag, an dem alle demokratischen Parteien vor den Folgen des um sich greifenden Rechtsextremismus gewarnt haben, wurden Menschen mit Migrationshintergrund Ziel dieses perfiden Anschlags."

In Deutschland greife ein rassistisch motivierter Rechtsterrorismus um sich, sagte SPD-Landeschefin Serpil Midyatli. "Es ist eine Schande, dass Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland Angst um ihr Leben haben." Alle demokratischen Parteien in allen Ländern müssten Kooperationen mit der AfD ausschließen. "Sie ist der politische Arm des Rechtsterrorismus." Menschenverachtende Hetze führe zu Taten, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. "Der braune Sumpf in unserem Land muss konsequent trocken gelegt werden."

Von einem weiteren massiven Angriff auf die freie Gesellschaft sprach FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. "Die zunehmende Radikalisierung in Teilen unserer Gesellschaft, die zu diesem rechtsextremen Terror führt, ist mehr als besorgniserregend." Bei aller Fassungslosigkeit kämen diese Morde nach den Ereignissen in Halle, dem Mord an Walter Lübcke und den Morden des NSU aber nicht überraschend, sagte Grünen- Landeschefin Ann-Kathrin Tranziska. Deutschland habe ein strukturelles Problem mit rechter Gewalt.

"In Hanau ist ein schreckliches Verbrechen verübt worden", sagte AfD-Fraktionschef Jörg Nobis. "Der ermittelnde Generalbundesanwalt muss diese Tat und ihre Hintergründe jetzt rückhaltlos aufklären."

Parteien wie die AfD arbeiteten mit Hochdruck daran, völkisch- faschistisches Gedankengut an die politischen Stammtische zu tragen und gesellschaftsfähig zu machen, sagte SSW-Fraktionschef Lars Harms. "Den Nährboden für rechte Hetze und Gewalt bereiten mitnichten dumpfe Nazis in Bomberjacken und Springerstiefeln auf den Straßen, sondern hochprofessionelle Nazi-Netzwerke mittels systematischer Propaganda, Einschüchterung und gezielter gesellschaftlicher Unterwanderung."