Kiel.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein hat eine Bundesratsinitiative der Jamaika-Koalition zur Armutsbekämpfung in Deutschland gefordert. Die Landesregierung solle sich in der Länderkammer "für einen umfassenden Masterplan zur Armutsbeseitigung" einsetzen, forderte der geschäftsführende Vorstand Michael Saitner am Mittwoch in Kiel anlässlich des Welttags der Sozialen Gerechtigkeit am Donnerstag. Ein solcher Masterplan müsse die Felder Arbeit, Wohnen, Pflege, Familie und Bildung anfassen, "anstatt weiter nach dem Gießkannenprinzip zu fördern und strukturelle Armut billigend in Kauf zu nehmen".

Schleswig-Holstein liege mit einer Armutsquote von 15,3 knapp unter dem Bundesdurchschnitt. Saitner kritisierte, die Kluft zwischen Arm und Reich werde immer größer. Seit 2009 wachse das Bruttoinlandsprodukt stetig (nominal um 37 Prozent, real um 21 Prozent), gleichzeitig habe jedoch die Armutsquote ebenfalls eine steigende Tendenz. Zuwächse im Bruttoinlandsprodukt und im Volkseinkommen fänden offensichtlich nicht ihren Weg zu den Armen, sondern stießen auf Verteilungsstrukturen, die immer mehr Armut erzeugten.

Dabei sei die Quote derer, die trotz Arbeit arm sind, erschreckend hoch: Lediglich 8 Prozent der erwachsenen Armen seien erwerbslos. Vier Millionen Menschen arbeiten nach Angaben des Sozialverbands dauerhaft unter prekären Umständen und haben keine Möglichkeit, Reserven zurückzulegen oder für die Rente zu sparen. Betroffen seien dadurch auch viele Kinder. Es sei ein Armutszeugnis für ein so reiches Land wie Deutschland, dass die soziale Herkunft eines Kindes eine so große Rolle bei seinem weiteren Lebensweg spiele - soziale Gerechtigkeit sehe anders aus. "Das alte Mantra "Du musst dich nur anstrengen, dann bekommst du Sicherheit!" stimmt nicht mehr", sagte Saitner.