Kiel. So viel Einigkeit ist selten im Kieler Landtag: Die große Mehrheit grenzt sich scharf von der AfD ab. Regierungschef Günther will einen Wiedereinzug der Partei in den Landtag verhindern. CDU und FDP distanzieren sich eindeutig von den Parteifreunden in Erfurt.

Generalabrechnung mit der AfD im Kieler Landtag: In der Debatte über Konsequenzen aus der Thüringen-Krise haben sich alle anderen fünf Fraktionen klar von der AfD abgegrenzt. CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW erklärten am Mittwoch in einer von ihnen gemeinsam beantragten Aktuellen Stunde, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus dürften in Schleswig-Holstein keine Chance haben. Sie machten wie Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) klar, dass sie auch die Nord-AfD dem Rechtsextremismus zuordnen. "Sie sind Brüder im Geiste", sagte Günther unter Hinweis auf den AfD-Rechtsaußen Björn Höcke.

Der "Spuk" im Landtag müsse mit der Landtagswahl 2022 ein Ende haben. "Wir können das schaffen", sagte Günther. "Dafür werde ich persönlich kämpfen." Es sei beschämend, dass die AfD im Landtag sitze. Sie sei im Norden keinen Deut besser als ihre Gesinnungsgenossen in Thüringen. Die demokratischen Parteien müssten bisherige AfD-Wähler zurückholen. Das sei eine gemeinsame Verantwortung.

Hintergrund der Debatte war die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Erfurt mit den Stimmen von AfD und CDU. Günther nannte das einen Sündenfall und einen Eklat. Es beschäme ihn tief, dass seine Parteifreunde bei einem solch ungeheuerlichen Vorgang mitgemacht hätten.

Die Wahl Kemmerichs sei eine Schande für Demokraten und ein Tabubruch, sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. "Wir bedauern das Verhalten unserer Thüringer Parteifreunde zutiefst." Kein Ministerpräsident dürfe mit den Stimmen der AfD gewählt werden. Die klare Abgrenzung von der AfD im Norden zeige Wirkung: Nirgendwo anders seien die Umfragewerte für die AfD so niedrig. Koch dankte SPD und SSW für ein gutes demokratisches Miteinander - und erntete von beiden Oppositionsfraktionen für seine engagierte Rede so viel Beifall wie wohl noch nie.

Erste Reaktionen von FDP-Politikern im Land auf Kemmerichs Wahl zum Regierungschef in Erfurt hatten in Kiel eine kurze Krise in der Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP ausgelöst. So hatte der langjährige FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki die Wahl zunächst begrüßt. Die Grünen warfen der FDP fehlende Distanzierung vor; dann legten die Liberalen nach und forderten Kemmerichs Rücktritt. Kubicki nannte seine erste Reaktion einen Fehler.

"Man kooperiert nicht mit Rechtsradikalen - niemals und nirgends", sagte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. In Thüringen hätten CDU und FDP billigend in Kauf genommen, einer faschistischen Bewegung politische Macht zu geben. Stegner lehnte erneut eine Gleichsetzung von Linkspartei und AfD ab. Die Linke sei eine Konkurrenzpartei, aber eine demokratische, die AfD sei demokratiefeindlich. Faschisten könne man nicht einbinden; Deutschland brauche eine Brandmauer gegen Rechtsextremisten.

Nicht die Demokratie sei in der Krise, sondern die Verantwortlichen in Thüringen, sagte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. "Eine Regierung darf nicht mit Stimmen der AfD zustandekommen." Eine Zusammenarbeit mit einer Partei, in der viele geschichtsvergessen und auch Nazis seien, könne es nicht geben. Von Kalben dankte CDU und FDP im Land für deren klare Distanzierung von Thüringen.

FDP-Fraktionschef Christopher Vogt nannte die Wahl des Liberalen Kemmerich einen beschämenden Vorgang. Der Eklat habe seine Partei in eine Krise gestürzt. Kemmerich hätte die Wahl nicht annehmen dürfen. In Schleswig-Holstein gebe es bei allen politischen Unterschieden einen Konsens der Demokraten: "Nie wieder darf der rechte Rand hier eine Chance haben", sagte Vogt, der auch die AfD als rechtsextrem einstufte. Die AfD in Norden sei nicht besser als anderswo.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis wies Nazi-Vergleiche zurück. Der politische Gegner werde mit der "Nazi-Keule" herabgewürdigt. Wer Wahlergebnisse nicht akzeptiere, sei kein Demokrat, sagte Nobis mit Blick auf Thüringen. "Thüringen ist kein Beben mehr, sondern die Bankrotterklärung der Demokratie." Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) rügte den von Nobis in diesem Zusammenhang verwendeten Begriff "politische Säuberungsaktionen".

Nicht die AfD werde unterdrückt, sondern sie wolle andere Menschen unterdrücken, sagte SSW-Fraktionschef Lars Harms. Die AfD heiße nationalsozialistisches Gedankengut gut, auch dadurch, dass sie sich nicht von entsprechenden Äußerungen distanziere. "Sie wollen den Parlamentarismus, so wie wir ihn kennen, abschaffen - nichts Anderes", sagte Harms in Richtung AfD. Wer diese Partei wähle, wähle Nazis.