Flensburg. Immer wieder schlägt ein Mann mit einem schweren Fahrradbügelschloss auf seine Frau ein. Sie stirbt noch am Tatort. Der Mann handelte nach Ansicht des Landgerichts Flensburg aus Kränkung und Wut darüber, dass sie ihn verlassen hat. Er wird wegen Mordes verurteilt.

Ein Mann tötet in Flensburg im April 2019 seine Frau mit einem schweren Fahrradbügelschloss. Mindestens 20 Mal, wahrscheinlich eher 30 bis 40 Mal schlägt der 42-Jährige auf die Mutter seiner vier Töchter ein, wie der Vorsitzende Richter der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht Flensburg, Mathias Eggers, am Montag sagte. Ein absoluter Vernichtungswille sei handlungsleitend gewesen. Er sei durch die von seiner Frau eingeleitete Trennung gekränkt und wütend gewesen.

Die Kammer verurteilte den Mann am Montag zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes. Sie sah die Mordmerkmale niedrige Beweggründe und Verdeckungsabsicht als gegeben. Damit folgte sie den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Die Verteidigung hatte auf Totschlag plädiert. Sie kündigte nach der Urteilsverkündung an, Revision einzulegen.

Die afghanische Flüchtlingsfamilie lebt seit 2015 in Deutschland, 2016 kam sie nach Flensburg. Zuvor haben sie viele Jahre im Iran gewohnt, wo der Angeklagte auch eine Baufirma gehabt haben soll. Dort heirateten der Angeklagte und seine Frau, dort kamen die vier Töchter zur Welt.

Er kontrollierte und bestimmte über seine Familie. Ohne seine Zustimmung durften die Töchter die Wohnung nicht verlassen, er machte Vorschriften hinsichtlich der Kleidung, wie Richter Eggers sagte. In Deutschland kam es immer mehr zu Spannungen insbesondere mit den älteren Töchtern und seiner Frau, weil diese den Teenagern seiner Ansicht nach zu viele Freiheiten ließ. Es gab Gewalt und Bedrohungssituationen.

Das Selbstwertgefühl des Angeklagten habe sich in Deutschland nur noch über seinen Status als Familienoberhaupt definiert. "Das drohte ihm wegzubrechen", sagte Eggers. Er habe seine Frau ihr Recht auf Leben genommen, weil sie es gewagt habe, ihm seine Familie zu nehmen. Die Kammer gehe aber "überhaupt nicht davon aus", dass der Angeklagte darüber verzweifelt gewesen sei. "Sie waren wütend, schlicht und ergreifend." Eggers machte noch einmal deutlich, dass ein Partner es hinzunehmen habe, wenn der andere Partner sich trennen wolle.

Bereits am 26. März 2019 wurde eine sogenannte Wegweisungsverfügung gegen den 42-Jährigen erlassen. Er durfte die gemeinsam bewohnte Wohnung in der Flensburger Innenstadt nicht mehr betreten. Seine Frau und die Töchter haben aus dem "Familiengefängnis" ausbrechen wollen, wie Eggers sagte. Für den Angeklagten, dem eine Gutachterin eine hochnarzisstische Persönlichkeit attestiert hat, sei die Wegweisungsverfügung eine erste narzisstische Kränkung gewesen.

Einen Tag vor der Tat erließ das Amtsgericht Flensburg zudem eine einstweilige Verfügung. Der Mann durfte sich seiner Frau und den gemeinsamen Töchtern im Alter von damals 6, 10, 13 und 16 Jahren nicht mehr nähern. Diese Anordnung stellte nach Ansicht des Gerichts eine zweite, erhebliche narzisstische Kränkung dar. Warum der Mann am 11. April dann doch das Wohnhaus aufsuchte, ob er seine Familie überreden wollte, zu ihm zurückzukehren, konnte das Gericht nicht abschließend aufklären.

Als seine Frau, die gerade die jüngste Tochter zum Kindergarten gebracht und eingekauft hatte, in das Haus zurückkehrte und ihn erblickte, fing sie sofort an zu schreien und rannte weg. "Sie hatte Angst", sagte der Vorsitzende Richter. Der Angeklagte folgte der Frau und hielt ihr den Mund zu - aus Angst, dass die Nachbarn die Schreie hören könnten und erneut die Polizei kommt. Er habe nicht wegen "dieser Frau" ins Gefängnis gewollt, weil er die Anordnung, sich ihr nicht zu nähern, nicht befolgt hatte. Dann schlug er mit dem Schloss, das an einem Fahrrad hing, zu. Die Frau starb an einem offenen Schädel-Hirn-Trauma.

Die Täterschaft steht "völlig außer Frage", sagte Eggers. Der Angeklagte habe die Tat auch formal eingeräumt. Allerdings lagen seiner Ansicht nach 90 Prozent der Schuld bei anderen, wie Eggers sagte. So soll seine Frau ihn betrogen und heroinsüchtig gemacht haben. Auch soll sie ihn seiner Ansicht nach angestiftet haben, die Töchter zu schlagen. Sich selbst habe er hingegen als guten, liebevollen Familienvater dargestellt. Doch die Zeugen, darunter drei Töchter des Angeklagten, vermittelten dem Gericht ein anderes Bild, wie der Vorsitzende Richter sagte. Er erinnerte an die Aussage einer Tochter, dass es erst richtig schön in Deutschland geworden sei, als ihr Vater die Wohnung verlassen musste. Dieses Glück währte nur kurz.