Miniatur Wunderland

Die Braun-Brüder appellieren an Fleischesser

| Lesedauer: 5 Minuten
Elisabeth Jessen
Gerrit (l.) und Frederik Braun mit dem Modell einer industriellen Schweinemast und einem Bio-Hof mit höchsten Tierwohl-Standards.

Gerrit (l.) und Frederik Braun mit dem Modell einer industriellen Schweinemast und einem Bio-Hof mit höchsten Tierwohl-Standards.

Foto: Mark Sandten

„Sauwohl“-Ausstellung im Miniatur Wunderland eröffnet. Die Betreiber möchten Verbraucher informieren und zum Nachdenken anregen.

Hamburg.  Frederik und Gerrit Braun, die Chefs des Miniatur Wunderlandes, stehen am Dienstagmorgen friedlich Seite an Seite mit Vertretern des Bauernverbands Schleswig-Holstein und des Vereins Provieh in einem kleinen Ausstellungsraum. Seit Dienstag wird hier die Sonderausstellung „Sauwohl“ gezeigt, die die ganze Bandbreite unterschiedlicher Haltungsformen in der Schweinezucht in Deutschland veranschaulichen möchte.

Die Stimmung ist versöhnlich, dabei war der Ton zwischen ihnen im Sommer 2019 alles andere als harmonisch. Die Braun-Brüder hatten damals mit vier Fotomotiven gegen Massentierhaltung und industrielle Landwirtschaft schockiert – Babys, die auf Förderbändern zum Schreddern in den Tod rutschen, nackte Frauen, deren Brüste an Melkmaschinen angeschlossen sind, Gruppen nackter Menschen in einem vergitterten Viehtransporter und Menschen in einer Mastanlage. Die schockierenden Fotos hatten sich über die sozialen Medien rasant verbreitet und für viel Wirbel gesorgt.

Schockierende Fotos sind Ursache für Ausstellung

„Diese Bilder sind die Ursache für diese Ausstellung“, sagte Frederik Braun und deutet auf die Exponate im Raum. An den Wänden hängen etliche Schautafeln, und auf fünf Tischen werden Höfe mit Schweinemast präsentiert – in der ganzen Bandbreite unterschiedlicher Haltungsformen – von industrieller Schweinemast nach gesetzlichen Mindeststandards bis zum Demeter-Hof mit Bio-Schweinemast nach höchsten Tierwohl-Standards. „Das größte Übel ist da drüben“, sagt Braun und zeigt auf die Ställe, in den die Schweine dicht gedrängt auf Spaltenböden stehen.

Über jedem Tisch hängt ein Schaubild, das verdeutlicht, wie die gesetzlichen Vorgaben der jeweiligen Haltungsform aussehen und wie groß der Platz ist, der dem einzelnen Schwein zur Verfügung steht. Ein gelbes Preisschild zeigt an, wie teuer ein Kilo Schweineschnitzel entsprechend ist. Die Preise variieren zwischen 6,58 Euro aus industrieller Mast und 21,99 Euro von einem Demeter-Bauern. Es seien Schätzzahlen aus all den Informationen, die ihnen zur Verfügung standen, sagen Gerrit und Frederik Braun.

Braun-Brüder wollen eine Botschaft rüberbringen

Züge fahren in der Ausstellung nicht, aber den Braun-Brüdern geht es in diesem Fall nicht um eine weitere Attraktion in ihrer Miniaturwelt, sondern sie wollen eine Botschaft rüberbringen und hoffen, möglichst viele Besucher darauf aufmerksam zu machen: dass es an ihnen selbst, an den Verbrauchern, liegt, Veränderungen in der Landwirtschaft zu bewirken.

„Wir haben bei uns im Bistro dasselbe Problem wie draußen, die Menschen wollen so billig wie möglich essen. Wir haben sehr günstige Preise, es soll ja auch für Familien bezahlbar sein“, sagt Frederik Braun. Trotzdem möchte man, dass die Gäste die Wahl haben. Als das Miniatur Wunderland Bio-Currywurst und Bio-Schnitzel auf die Karte setzte, seien trotzdem nur drei bis fünf Prozent der Gäste bereit gewesen, für nur einen Euro Aufpreis die Biovariante zu wählen. Ein Aufsteller auf den Tischen mit dem Hinweis auf das Bioangebot habe dann schon mehr Menschen zum Umdenken gebracht: „Das Ergebnis waren etwa zehn Prozent Bio-Bestellungen“, sagt Frederik Braun, dessen Unternehmen die Bio-Fleischgerichte bezuschusst. Immer noch zu wenig, finden er und sein Bruder Gerrit.

Früher gab es weniger Fleisch

„Wir dachten, wir müssen dem Verbraucher deutlich machen, wie das Fleisch hergestellt wird“, sagt Frederik Braun. Deshalb habe man die Fotos im Bahnhof Knuffingen aufgestellt. 1,8 Millionen Menschen hätten die Bilder gesehen. „Nicht alle fanden es gut, Landwirte fühlten sich an den Pranger gestellt.“ Daraus sei die Idee für die Sonderausstellung entstanden.

Man müsse seinen Fleischkonsum überdenken, findet Frederik Braun, der sagt, er habe sich dabei ertappt, manchmal zwei- bis dreimal pro Tag Fleisch zu essen. „Früher gab es einen Sonntagsbraten.“ Er habe seinen Fleischkonsum inzwischen überdacht.

„Der Verbraucher kauft sein Schnitzel und hat keine Idee, wie es produziert wurde“, sagte Svenja Furken vom Vorstand des Tierschutzvereins Provieh, Aufklärung sei enorm wichtig. Nach Angabe des Landwirts Dietrich Pritschau, der im Bauernverband Schleswig-Holstein aktiv ist, beträgt der Anteil an nach Demeter-Vorgaben erzeugtem Schweinefleisch nur 0,4 Prozent.

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„Wir sind dankbar, weil diese Ausstellung ein guter Weg ist, den Verbraucher auf das Thema aufmerksam zu machen“, sagte auch Pritschau bei der Ausstellungseröffnung im Miniatur Wunderland. Der Landwirt machte aber auch deutlich, dass eine komplette Umstellung der Schweinezucht auf Ökohaltung nicht möglich sei: „Die Flächen haben wir gar nicht. Dann müssten wir auf Fleisch verzichten.“

Danach sieht es derzeit nicht aus: Auf einer Tafel haben die Ausstellungsmacher eindrucksvolle Zahlen aufgelistet: Ein Mensch in Deutschland verspeist im Laufe seines Lebens durchschnittlich vier Rinder und vier Schafe, 12 Gänse, 37 Enten, 46 Schweine, 46 Puten und 945 Hühnchen.

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