Kiel. Diese Hoffnung hat sich erledigt: Der Zuschlag für den Bau des Kampfschiffes 180 geht nicht nach Kiel, sondern in die Niederlande. Es geht um Milliarden, um Hightech-Fähigkeiten, Arbeitsplätze und um hohe Politik. Müssen solche Aufträge EU-weit ausgeschrieben werden?

Die angekündigte Vergabe des größten Marine-Auftrags in der Bundeswehr-Geschichte an ein Konsortium unter niederländischer Führung hat harsche Kritik ausgelöst. Unterdessen betonte am Dienstag die erfolgreiche Werftengruppe Damen, ein Großteil der Wertschöpfung beim Mehrzweckkampfschiff 180 werde auf Deutschland entfallen.

Die Entscheidung sei aus sicherheits- und industriepolitischer Sicht schwer nachvollziehbar, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Er verwies auf die Verabredung von Union und SPD im Koalitionsvertrag, den Überwasserschiffbau als Schlüsseltechnologie einzustufen.

Um den Auftrag im Volumen von 5,27 Milliarden Euro für vier Schiffe hatte sich auch German Naval Yards in Kiel mit Thyssenkrupp Marine Systems (TkMS) als Subunternehmer beworben. Am Montag teilte das Bundesverteidigungsministerium dem Verteidigungsausschuss mit, "MKS 180" solle unter niederländischer Federführung bei der Lürssen-Tochter Blohm + Voss in Hamburg gebaut werden. Die Werftengruppe Damen Shipyards habe die Ausschreibung gewonnen.

"Für das bisher größte Rüstungsprojekt in der Geschichte der deutschen Marine wäre es wichtig gewesen, dass die Bundesregierung auf das vorhandene Know-how in Deutschland setzt", sagte der Kieler Regierungschef Günther. Nur so ließen sich auf Dauer Expertenwissen im Land und eine größere Exportunabhängigkeit sichern. Es gehe um die gesamte Wertschöpfungskette von der Konstruktion über die Produktion, Zulieferer bis hin zur Wartung.

Laut Ausschreibungssieger Damen wird der Auftrag so abgewickelt, dass rund 80 Prozent aller Nettoinvestitionen als Wertschöpfung in Deutschland bleiben. Dort würden die Schiffe vollständig gebaut. Auch mit Blick auf die bei Thales in den Niederlanden beauftragten elektronischen Einsatzsysteme dominierten deutsche Wertschöpfung und Know-how-Entwicklung: Rund 70 Prozent der Leistungen würden unter anderem in Kiel und Wilhelmshaven sowie von Unterauftragnehmern aus Deutschland erbracht. Ähnlich hoch sei bei Wartung und Service der deutsche Wertschöpfungsanteil geplant. In das Gesamtprojekt würden viele kleine und mittlere Unternehmen in ganz Deutschland einbezogen.

"Ich bin ziemlich fassungslos über unsere desolate Bundesregierung", twitterte der Kieler FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. "Ich frage mich, was die Bundesregierung dabei geritten hat, in diesem strategisch bedeutenden Bereich einseitig auf eine europäische Ausschreibung zu setzen." Das machten andere Nationen nicht.

Vogt widersprach dem FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller. Die Entscheidung sei nicht zu kritisieren, sagte Müller. "Diejenigen, die nun aus patriotischen Gründen die Vergabe an ein niederländisches Unternehmen heftig kritisieren, sind die gleichen, die bei der nächsten Europa-Wahl wieder das hohe Lied auf die Europäische Integration anstimmen werden."

Müller verwies auf die Fregatte 125, die eine Milliarde teurer wurde als geplant. "Es kann sein, dass das Versagen beim Bau der Fregatte 125 eines Bieterkonsortiums eine Rolle gespielt hat", sagte der FDP-Obmann im Verteidigungsausschuss. "Die F125 ist viele Jahre hinter der vertraglich vereinbarten Auslieferung zurück, und kein einziges der Schiffe ist heute nutzbar wie geplant." So sei die Entscheidung beim "MKS 180" nachvollziehbar. Die Fregatten werden als Kooperation von TkMS und Lürssen in Bremen gebaut.

German Naval Yards in Kiel äußerte sich zunächst nicht inhaltlich. "Wir wollen die Entscheidung erstmal aus- und bewerten", sagte Sprecher Heiko Landahl-Gette der dpa. Die Werft mit 500 Mitarbeitern baut unter anderem mit TkMS vier Korvetten für Israel.

"Wir bedauern die Entscheidung", sagte TkMS-Sprecher Stefan Ettwig. Der Überwasser-Marineschiffbau sei im Koalitionsvertrag schließlich als Schlüsseltechnologie benannt. Trotzdem gehe TkMS den Weg weiter, Europas modernster Marine-Schiffbauer zu werden. Ettwig verwies auf Aufträge für Israel und Brasilien. In Kiel will TkMS für 250 Millionen Euro eine größere U-Boot-Produktionshalle bauen.

Besorgt zeigte sich die IG Metall. Die Zukunft von Werften und Zulieferern in Norddeutschland dürfe nicht gefährdet werden, sagte Bezirksleiter Daniel Friedrich. "Bund, Länder, Unternehmen und IG Metall müssen gemeinsam nach Wegen suchen, wie die Standorte und Beschäftigung von Werften und Zulieferern in Norddeutschland erhalten bleiben."

Von einer bitteren Nachricht für Schleswig-Holstein sprach Bundestags-Unionsfraktionsvize Johann Wadephul. Beim Marineschiffbau gehe es nicht mehr um Stahlbiegen und Schweißen der Schiffswände. "Es geht darum, aus einem Schiff ein Hightech-Waffensystem zu machen." Hier lägen die Entwicklungspotenziale und letztendlich auch die lukrativen Teile eines solchen Auftrags.

Einen schweren Schlag für die Branche in Norddeutschland sieht der Kieler SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. Die Bundesregierung müsse nun alle Akteure zusammenbringen. Ein gutes Signal für die Lürssen- Tochter Peene-Werft in Wolgast konstatiert der Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg (CDU) aus Mecklenburg-Vorpommern: "Ich erwarte, dass die Peene-Werft große Teile des Auftrages realisiert".