Kiel. Mehr Qualität, mehr Kümmern um das einzelne Kind - so will Bildungsministerin Prien die Inklusion an den Schulen verbessern. Sie möchte auch, dass ein besonderer Förderbedarf von Kindern früher erkannt wird. Lernen in Kleingruppen soll ebenfalls helfen.

Beim gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern will Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien stärker die Qualität in den Vordergrund rücken. "Wir wollen die Inklusion nicht zurückdrehen", sagte die CDU-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Für sie gehe es jetzt aber nicht darum, die Inklusionsquote von rund 70 Prozent um jeden Preis weiter zu steigern. Sie wolle die Qualität in den Mittelpunkt stellen und jedes einzelne Kind, das besonders unterstützt werden muss. "Da gibt es erheblichen Verbesserungs- und Nachsteuerungsbedarf." Einen Bericht über den aktuellen Stand hat das Ministerium am Freitag dem Landtag zugeleitet.

Mit rund 70 Prozent habe Schleswig-Holstein die höchste Inklusionsquote aller Flächenländer in Deutschland, sagte Prien. "Aber die Umsetzung ist eine große Herausforderung für Lehrer, Eltern und alle Anderen, die damit befasst sind." Die Ministerin strebt an, bis zum Ende dieser Wahlperiode, also bis 2022, einheitliche Qualitätsstandards im Land zu schaffen. Bisher sei die Umsetzung in den Kreisen sehr unterschiedlich.

Konkret sprach sich Prien dafür aus, den Förderbedarf von Schülern früher festzustellen. "Ich möchte Lehrer und Eltern ermutigen, schon vor dem dritten oder vierten Schuljahr die Möglichkeiten intensiver Diagnostik in Anspruch zu nehmen", sagte sie. "Manche Eltern haben Angst davor, aber in meinen Augen ist es ein Zeichen von Klugheit und Stärke, dies zu tun." Jedes Kind sollte möglichst früh die Unterstützung bekommen, die es braucht. "Hier müssen wir auch den Übergang von der Kita in die Grundschule mehr im Blick haben", sagte Prien. Manchmal hätten Kitas schon Erkenntnisse, die in der Schule nicht ankommen.

Die Ministerin plädierte auch dafür, Kinder mit besonderen emotionalen und sozialen Störungen an Regelschulen oder Förderzentren bei Bedarf zeitweise in Kleingruppen zu unterrichten. Dies geschehe bisher nicht flächendeckend. Darüber hinaus sei es notwendig, die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen zu intensivieren - von Schulen und Förderzentren bis hin zum jugendpsychologischen und jugendärztlichen Dienst.

Seit einigen Jahren lernen in Schleswig-Holstein rund zwei Drittel aller Kinder mit "sonderpädagogischem Förderbedarf" an Regelschulen. Die Qualität konnte aus Sicht von Kritikern mit der schnellen Umsetzung nicht Schritt halten, besonders wegen Personalmangels. Der Landesrechnungshof sprach in einem Bericht vor gut zwei Jahren von gravierenden Mängeln. "Die notwendigen personellen und sächlichen Ressourcen sind im System Schule auch auf mittlere Sicht nicht vorhanden", konstatierte Rechnungshof-Präsidentin Gaby Schäfer 2017. Allein bei den Grundschulen fehlten viele Lehrer und etwa 1500 Sonderpädagogen.

Das Bildungsministerium hatte dem Rechnungshof-Gutachten allerdings widersprochen, weil es Doppelzählungen gegeben habe und der Bedarf nicht richtig bewertet worden sei. Der Bildungsplaner Prof. Klaus Klemm habe einen zusätzlichen Stellenbedarf von rund 490 Stellen ermittelt. Infolgedessen finanziert die Landesregierung seit 2017 jährlich 70 neue Sonderpädagogen-Stellen und will das bis 2024 fortsetzen. Für die Grundschulen bestehe derzeit ein Bedarf von etwa 140 zusätzlichen Sonderpädagogen, sagte ein Sprecher.