Hamburg. „Der Tod trat zwischen 2 und 3 Uhr nachts ein.“ Rechtsmediziner Boerne aus dem „Tatort“ hat meist schnell eine recht präzise Antwort parat, wann ein Mensch ins Jenseits befördert wurde. Ein rascher Blick auf den Leichnam, ein kurzes Tasten am Körper — und schon ist der Experte vermeintlich bestens im Bilde. Doch im richtigen Rechtsmediziner-Leben geht es nicht so lässig und lax vonstatten. Es braucht schon mehr als einen schnellen Blick und Handauflegen. Aber was?
Wie umfangreich das Aufgabenspektrum eines Rechtsmediziners ist und welche Untersuchungen er an Toten vornimmt, können Krimifans, Medizinstudenten und andere Interessierte jetzt in einem unterhaltsamen und zugleich lehrreichen Computerspiel erfahren. „Abenteuer Rechtsmedizin“ heißt das Spiel, bei dem unterschiedliche Aufgaben wie die Bestimmung der Todeszeit oder die Untersuchung von Knochen gelöst werden sollen. Entwickelt wurde das Spiel von Mitarbeitern des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin, unterstützt von Studenten der Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Realistisch – aber nicht blutig
Verstörende Fotos mit viel Blut gibt es nicht – stattdessen Zeichnungen in Comic-Optik. „Wir wollten das Spiel realitätsnah halten, aber betont nicht blutig gestalten“, erklärt Rechtsmediziner Prof. Sven Anders. „Es soll nicht sensationslüstern oder voyeuristisch sein. Es geht darum, rechtsmedizinisches Wissen zu vermitteln, auf entspannte Art.“
Die Idee zu dem Spiel hatte ein früherer Mitarbeiter des Instituts für Rechtsmedizin, der sich damit an Anders wandte. „Er rannte bei mir offene Türen ein“, sagt der Professor. Inzwischen ist der ehemalige Kollege nicht mehr im Team, das die Spiele kreiert. Mit dabei ist jetzt der Biologe Oliver Krebs, der mit Anders zusammen die rechtsmedizinischen Aufgaben für das Spiel auch für medizinische Laien gut verständlich aufbereitet, sowie die Illustrationsstudentin Annika Sanwald und der Informatikstudent Waldemar Krause, die für die optische und technische Umsetzung zuständig sind.
Bislang gibt es vier Fälle
Gespielt werden kann „Abenteuer Rechtsmedizin“ kostenlos über die Hamburg Open Online University (HOOU), die von der Stadt Hamburg gefördert wird und die auf vielen Wissensgebieten Lernangebote für jedermann bereithält. „Wir sind eines der am UKE geförderten Projekte“, erzählt Anders. „Das Besondere an den Angeboten ist, dass sie völlig offen gestaltet sind. Jeder darf sie verwenden“, ergänzt Biologe Krebs. „Wir haben bislang vier Fälle für das Spiel erarbeitet, in deutscher und englischer Sprache.“ Es gibt eine Onlineversion für Computer und eine für Android-Smartphones.
Das interaktive Point&Click-Adventure nimmt den Spieler mit in die Welt der Rechtsmedizin. Er soll eine ihm gestellte Aufgabe lösen. „In dem Spiel werden Informationen zur Verfügung gestellt, die richtig zusammengesetzt werden sollen, um den Fall zu lösen. Am Ende kommt das Feedback, ob die Lösung richtig war oder nicht“, erklärt Anders. „Und für die, die mehr erfahren wollen, gibt es noch ein integriertes Kurzlehrbuch, um am Ende alle Fragen richtig beantworten zu können“, sagt Krebs. Auch dieses Lehrbuch wird durch Zeichnungen in Comic-Optik ergänzt.
DNA-Analyse per Mausklick
Todeszeitbestimmung, Anthropologie, äußere Leichenschau und DNA-Analyse sind die vier Fälle, die bislang gelöst werden können. Da liegt zum Beispiel ein Toter im Wald – oder zumindest das, was von ihm übrig geblieben ist. Etliche Knochen sind wie in einer Art Wimmelbild zwischen den Bäumen verstreut. Es gilt, sie zusammenzusammeln und aus den Skelettstücken möglichst viele Informationen zu erschließen. War es ein Mann oder eine Frau? Wie alt wurde der Verstorbene? Wie groß war er? Und wie lang hat er unentdeckt im Wald gelegen? Per Mausklick „untersucht“ der Spieler die Knochen, um der Polizei bei einem Vermisstenfall zu helfen.
In einem Fall liegt ein Toter am Elbstrand. Gibt es Anzeichen für Suizid, für einen Unfall oder gar ein Tötungsdelikt? Die äußere Leichenschau soll erste Hinweise geben. In einem weiteren Fall melden sich vier Menschen, die den verstorbenen Mann beerben wollen. Aber nur einer ist wirklich ein Nachkomme. Welcher ist es? Die DNA-Analyse gibt die Antwort. Oder der Mann, der tot in seinem Zimmer liegt. Wann ist er gestorben? An unterschiedlichen Stellen des Toten nimmt der Spieler bestimmte Untersuchungen vor, prüft beispielsweise die Leichenstarre.
Kommt er am Ende zum korrekten Ergebnis, erhält er einen Glückwunsch vom „Oberarzt“: „Vielleicht sollten wir über Ihre Beförderung nachdenken.“ Neben den bereits bestehenden Fällen in „Abenteuer Rechtsmedizin“ sollen im kommenden Jahr noch zwei weitere Themen erarbeitet werden, verrät Prof. Anders vom Institut für Rechtsmedizin: Vermutlich wird es um Toxikologie gehen – und um eine Sektion.
Hier geht es zu dem Computerspiel: www.hoou.de
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg