Hamburg. Kinder und Jugendliche können ganz schön fies zueinander sein – Mobbing ist an Schulen weit verbreitet. Laut PISA-Studie 2017 ist fast jeder sechste Schüler in Deutschland ein Opfer von Mobbing. Sie werden geärgert, ausgegrenzt oder angegriffen, häufig auch mithilfe digitaler Medien, genannt Cybermobbing.
Nach einer einjährigen Pilotphase in Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen geht das Programm „Gemeinsam Klasse sein“ nun bundesweit an den Start. Mit dem neuen Onlineangebot gegen Mobbing an Schulen setzen die Schulbehörde, die Beratungsstelle Gewaltprävention und die Techniker Krankenkasse (TK) ihre Zusammenarbeit fort. Die Kooperationspartner hatten bereits beim Vorgängerprojekt, dem „Anti-Mobbing-Koffer“ zusammengearbeitet. Die Lehrmaterialien, die sich an die Jahrgangstufen fünf bis sieben richten, werden auf einer digitalen Plattform zur Verfügung gestellt.
Umgang mit Mobbing: Lehrkräfte müssen geschult werden
Teilnehmende Schulen können die Materialien nutzen und damit bis zu fünf Projekttage gestalten. Dabei kommen Filmclips und Erklärvideos zum Einsatz, die an Hamburger Schulen produziert werden. Diese unterstützen Schüler dabei, Regeln für ein respektvolles Miteinander zu erarbeiten. Außerdem werden rechtliche Grundlagen und die Rolle von Zuschauern noch mehr beleuchtet sowie neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden im Umgang mit Mobbing vermittelt.
Im Vorfeld müssen die Lehrkräfte entsprechend geschult werden. Die Schulungen führen speziell ausgebildete Mitarbeiter der Schulbehörden durch. Mit einem Zugangscode können sich die geschulten Lehrer dann in das Online-Angebot einwählen.
Zeitgemäße Materialien wurden entwickelt
Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg, sagt: „Gerade für Jugendliche kann jede Art von Mobbing weitreichende seelische und körperliche Folgen haben. Um das zu verhindern und Mobbing gar nicht erst entstehen zu lassen, hat die TK in Kooperation mit der Beratungsstelle für Gewaltprävention in Hamburg das neue Online-Angebot entwickelt. Durch auswählbare Module sollen alle Beteiligten mit zeitgemäßen Materialien für dieses Thema sensibilisiert werden.“
„,Gemeinsam Klasse sein’ setzt auf mehreren Ebenen im System Schule an, um eine Kultur des Hinschauens zu fördern“, sagt Christian Böhm, Leiter der Beratungsstelle Gewaltprävention in Hamburg, „auf Klassenebene, Elternebene und Schulebene.“ Auf Klassenebene arbeiteten die Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften daran, dass ein Umfeld entsteht, in dem offen kommuniziert werden könne und Mobbing und Cybermobbing nicht geduldet würden.
Infos rund um das Thema Mobbing:
- Bei Mobbing setzt ein einzelner Schüler oder eine ganze Gruppe einem Kind über einen längeren Zeitraum immer wieder zu.
- Direktes Mobbing: Dazu zählen verbales Mobbing wie Drohungen, Hänseleien und Spott sowie physisches Mobbing wie Schläge, Schubsen oder Zwicken.
- Indirektes Mobbing: Darunter versteht man unter anderem Ausgrenzung und Beschädigung des Rufs.
- Ursachen für Mobbing unter Kindern: Wut, Langeweile, Unzufriedenheit, Neid, geringe Konfliktfähigkeit, geringes Selbstwertgefühl.
„Die Einbeziehung der Eltern erfolgt durch Flyer, selbst gestaltete Plakate und einen gemeinsamen Elternnachmittag, an dem die Schülerinnen und Schüler in ihrer Expertenrolle die Eltern aufklären und die Projektinhalte präsentieren. Auf Schulebene werden Lehrkräfte qualifiziert und Ansprechpersonen für die Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte benannt, die bei Verdacht auf Mobbing zur Stelle sind“, so Böhm.
Mobbing: 50 Klassen im Norden haben das Projekt erprobt
Einer, der bereits gute Erfahrungen mit dem neuen Online-Portal gemacht hat, ist Holger Hülsemann, Sozialpädagoge am Gymnasium Finkenwerder: „Alle Schülerinnen und Schüler haben das Thema Mobbing und Cybermobbing sowie die dazugehörigen Bausteine genauso ernst und wichtig genommen wie die Fächer Deutsch, Mathe und Englisch. Die einzelnen Module bauen sehr gut aufeinander auf.“ In den Rollenspielen könnten sich die Schülerinnen und Schüler in die verschiedenen Charaktere – betroffene Person, Täter und Zuschauende – hineinversetzen und gemeinsam Handlungsstrategien erarbeiten. „Das Motto ist: ,Hilfe holen ist kein Petzen, sondern dient der Gerechtigkeit’“, so Hülsemann. Das Programm sei eine Bereicherung für alle Beteiligten.
Im Schuljahr 2018/19 wurde das Projekt mit 50 Klassen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen erprobt. So funktioniert es: Schulen melden sich für das Programm beim regionalen Lehrerfortbildungsinstitut an. Dort wird eine Lehrkraft der Schule geschult und erhält den Zugangscode. Im Rahmen einer Projektwoche absolvieren die Schüler dann über mehrere Tage das Projekt.
Weitere Informationen für interessierte Schulen gibt es auf www.gemeinsam-klasse-sein.de.
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