Anwohner auf der Uhlenhorst und in Pöseldorf wehren sich gegen den Abriss von historischen Häusern und fordern “Milieuschutz“

Uhlenhorst. Dirk-Peter Bonk fröstelt ein wenig. Der Frühling lässt noch auf sich warten, von der Außenalster weht ein kalter Wind herüber. Bonk zeigt auf eine dreistöckige Villa, die etwas zurückgesetzt dort steht, wo die Karlstraße in die Schöne Aussicht mündet. Die Vorhänge an den Fenstern des Gebäudes sind zugezogen. "Seit Jahren steht das Haus nun schon leer", sagt Bonk. "Um Diebe abzuschrecken, geht nachts mithilfe einer Zeitschaltuhr in verschiedenen Zimmern Licht an."

Die Worte von Dirk-Peter Bonk bekommen hin und wieder einen sarkastischen Anstrich. So, wenn er berichtet, dass nach seinen Informationen in der Nachbarschaft derzeit mehrere Objekte zum Verkauf stünden. Oder wenn er von "explodierenden Mietpreisen in bevorzugten Wohngebieten" erzählt, wie die Uhlenhorst eines ist. "Das ruft eben auch die Spekulanten auf den Plan", sagt Dirk-Peter Bonk. Er kennt die Lage auf dem Immobilienmarkt gut. Schließlich wohnt er an der Fährhausstraße und besitzt in der Gegend seit vielen Jahren mehrere Häuser.

Jetzt hat Bonk sich mit zwei Gefährten aus der Nachbarschaft zusammengetan und die Bürgerinitiative Uhlenhorst gegründet. "Wir wollen unseren Stadtteil in seiner Schönheit erhalten", sagt er, nach dem Ziel der Initiative befragt. "Wir wollen Milieuschutz!" Zugleich hofft Bonk, dass die Bürgerinitiative die Politik für das Problem sensibilisieren kann. "Bislang schauen sie der Entwicklung tatenlos zu und genehmigen sogar noch derartige Spekulationsobjekte."

Gegenüber, auf der anderen Seite der Alster, an der Alsterchaussee, kämpft derweil Lennart Elze einen harten Kampf. Vor wenigen Tagen wurde sein Nachbarhaus, das Gebäude mit der Nummer 17, ein Opfer der Abrissbirne.

Elze und andere Anwohner sind "auf Zinne" und protestieren mit Plakaten gegen eine "maßlose Bebauung" an der idyllisch gelegenen Straße in Pöseldorf. Abgesehen davon, dass er als Nachbar nicht in die Neubaupläne einbezogen wurde, ärgert ihn, dass das neue Gebäude höher sein und die Lücke, die vorher zum Nachbarhaus bestand, schließen soll. "Diese Lücke gab es nicht nur zum Spaß", sagt er. "Einerseits ist sie unerlässlich für den Brandschutz. Andererseits sind die Aussparungen hier ein prägendes Merkmal für den Stadtteil."

Wie in Uhlenhorst und Pöseldorf beobachten auch Bewohner anderer Hamburger Stadtteile, dass vermehrt über 100 Jahre alte Gebäude abgerissen und durch mehrgeschossige, oftmals austauschbare Neubauten ersetzt werden. An der Elbchaussee ist dieser Prozess seit einigen Jahren zu beobachten. Grundstücke, die einst nur eine Villa im Landhausstil und einen parkähnlichen Garten beherbergten, werden heute dominiert von Beton, Glas und Stahl. Vor fünf Jahren hatte der Streit um den Abriss des Mollerschen Palais an der Rothenbaumchaussee dazu geführt, dass der damalige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) seinerzeit die Idee entwickelte, Bürger sollten schutzwürdige Bauten der Kulturbehörde melden.

Oberbaudirektor Jörn Walter, auf die Abrissproblematik angesprochen, äußert bis zu einem gewissen Grad Verständnis für die "Perspektive der Bauherren". Zugleich hält er es für notwendig, im Gespräch mit den Anwohnern eine für alle akzeptable Lösung zu finden. Ihm gehe es in erster Linie um den Erhalt des städtebaulichen Ensembles. Walter verdeutlicht seine Überlegungen am Beispiel der Eilenau, das einst als Stadthausareal entstanden war. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg seien dort viele Gebäude abgerissen, neu gebaut oder saniert worden. Nur noch wenige, zumeist nicht denkmalgeschützte Häuser stünden für das Bild des einstigen Stadthausviertels und seien prägend dafür. "Diese Gebäude müssten in einer Erhaltensverordnung benannt und damit geschützt werden", sagt Walter. Auf die Uhlenhorst oder die Elbchaussee bezogen bedeute das, dass für das Stadtbild unverzichtbare Patrizierhäuser nicht abgerissen werden dürften.

Sollte der Abriss einer älteren Villa alternativlos sein - zum Beispiel weil die Bausubstanz zu marode ist -, kann die Stadt nach Walters Worten mithilfe einer sogenannten Gestaltungsverordnung Einfluss auf das Aussehen von Neubauten nehmen. Die Regelung für die Außenalster schreibe beispielsweise vor, dass Neubauten grundsätzlich weiß gestrichen und mit grünen oder schwarzen Kupferdächern ausgestattet sein müssten. Die unlängst beschlossene Gestaltungsverordnung für die Speicherstadt wiederum lege beispielsweise fest, dass in Backstein gebaut und dass Werbung zum Beispiel mit goldenen Einzelbuchstaben integriert werden müsse. "Es geht darum, dass Neubauten dem Gesamtbild des jeweiligen Stadtgebietes gerecht werden", sagt Walter. Für Dirk-Peter Bonk und Lennart Elze könnten diese Worte Hoffnung bedeuten und den Weg weisen, sich mit ihren Vorstellungen Gehör zu verschaffen.

Bonk steht noch immer an der Kreuzung Karlstraße/Schöne Aussicht und zeigt auf einen dreistöckigen, wuchtigen Neubau, der an das Grundstück des leer stehenden Landhauses grenzt. Die gewaltigen Terrassen und die riesigen, einen schönen Ausblick auf die Außenalster gewährenden Fenster lassen die utopischen Quadratmeterpreise der Wohnungen erahnen. Wer vor dem Rasengrundstück mit der alten Villa steht, benötigt nicht viel Fantasie, um sich den nächsten "Klotz", wie Bonk es nennt, vorstellen zu können. Einzig der im Garten stehende, gut zehn Meter hohe, gewaltige Baum will nicht so recht in so ein "Zukunftsszenario" passen. "Können Sie sich vorstellen, dass dieser 100 Jahre alte Baum abgeholzt wird?", fragt Bonk.