Eppendorf. Fast jeder Hamburger kennt die Kirche St. Johannis an der Ludolfstraße, im Volksmund gern auch als „Hochzeitskirche von Eppendorf“ bezeichnet – doch kaum jemand weiß so viel über dieses denkmalgeschützte Gotteshaus wie Veronika Janssen. Anlässlich des 750-jährigen Bestehens, das die Gemeinde im vergangenen Jahr groß gefeiert hat, legt die promovierte Kirchenhistorikerin jetzt im Solivagus-Verlag eine knapp 400 Seiten umfassende Chronik vor, die sie am heutigen Montagabend im Kulturhaus Eppendorf vorstellt.
Mit einer der ältesten Dorfkirchen Hamburgs als Dreh- und Angelpunkt beleuchtet die 51-Jährige bewegte Jahrhunderte norddeutscher Geschichte. So berichtet sie unter anderem spannend von einem Streit unter Grafen, von dem Elend der Pest oder der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.
„Mein Interesse für diese besondere Kirche ist gewissermaßen angeboren“, sagt Veronika Janssen und lacht. Ihre Mutter Monika und ihr Vater Ekkehart, der heute noch im Kirchenvorstand von St. Johannis aktiv ist, hätten sich 1964 dort das Jawort gegeben. „Und ich selbst bin dann in dieser Kirche getauft, konfirmiert und 1992 auch getraut worden.“ So wie viele andere Hamburger – unter anderem Uwe Seeler, der am 18. Februar 1959 seine Ilka in Eppendorf geheiratet hat.
Drei Jahre Recherche haben sich gelohnt
Natürlich sei die nach Johannes dem Täufer benannte Kirche bis heute ein beliebter Ort für Trauungen, sagt Veronika Janssen und erinnert sich an den 8.8.1988, als sie den Küster vertreten durfte. Sieben Paare hätten sich allein an diesem einen Tag das Eheversprechen gegeben. „Da mussten wir die Frischgetrauten fast schon zum Portal rausschieben und schnell den Reis wegfegen, weil schon die nächsten Brautleute parat standen.“
Doch natürlich hätte diese Kirche, die 1267 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde, von der jedoch niemand genau weiß, wann exakt sie erbaut wurde, nicht nur schöne Kapitel erlebt. Fast drei Jahre lang hat Veronika Janssen, deren Begeisterung für Geschichte bereits als Grundschülerin an der Schule Poßmoorweg geweckt wurde, Quellen durchforstet und recherchiert. „Wie viele Tage ich allein im Gemeindearchiv verbracht habe, das sich im Keller von Alma Hoppes Lustspielhaus befindet, kann ich gar nicht mehr zählen.“ Doch der Aufwand habe sich unbedingt gelohnt, auf viele spannende Geschichten und beeindruckende Persönlichkeiten sei sie gestoßen.
Weltkriegs-Bombe setzte Gotteshaus in Brand
Wie zum Beispiel den Pastor Ludwig Heitmann, der Anfang des 20. Jahrhunderts an St. Johannis wirkte und die Liturgie nachhaltig veränderte. „Wer damals uneingeweiht zur Messe kam, hat gedacht, er sei in einer katholischen Kirche gelandet.“ Auch habe Heitmann viel Jugendarbeit geleistet und sich bemüht, auch Mädchen und Jungen, die nicht religiös waren, einzubinden. „Damit war er seiner Zeit weit voraus.“ Was auch für sein Vorhaben galt, die Kirche heller zu gestalten – ein Plan, der sich erst 1961 umsetzen ließ.
Denn während St. Johannis den Ersten Weltkrieg fast unbeschadet überstanden hatte, schlug im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges ein Sprengkörper über der Kanzel ein und setzte das Gotteshaus in Brand. „Nur weil der damalige Pastor, dessen Söhne und der Küster sofort beherzt anfingen zu löschen, wurde die Kirche gerettet“, erzählt Veronika Janssen, die mit ihrem Mann Bernd-Holger, einem Pastor, heute in Westensee bei Kiel lebt.
Die Verbindung nach Eppendorf sei aber nie abgerissen. Und als ihr Vater als Mitglied des Kirchenvorstands sie gebeten habe, anlässlich des 750-jährigen Bestehens die überhaupt erste Chronik von St. Johannis zu verfassen, habe sie sofort zugesagt. „Zum Fest selbst hatte ich dann aber erst eine Kurzfassung fertig“, sagt sie. „Es ist einfach zu viel passiert in diesen fast acht Jahrhunderten.“ Und zwar nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich und theologisch.
Schauplatz eines 150 Jahre langen Streits
So sei die Kirche Ende des 17. Jahrhunderts zum Beispiel Schauplatz eines insgesamt 150 Jahre andauernden Streits zwischen dem dänischen König und der Stadt Hamburg gewesen. Der König habe mit Militärbegleitung einen Pastor eingesetzt, worauf der Rat der Stadt den Bürgern verboten habe, dessen Gottesdienste zu besuchen. „Das muss eine spannende Zeit gewesen sein“, sagt Veronika Janssen.
Ihre Chronik räumt nun auch ein bisschen mit dem Irrglauben auf, St. Johannis sei 1751 erbaut worden – denn das ist die Jahreszahl, die beim Vorbeifahren gut sichtbar am Turm prangt. „Diese Jahreszahl bezieht sich aber eben tatsächlich nur auf die Errichtung des heutigen Turms, der vermutlich in sich sogar noch einen mittelalterlichen Rundturm versteckt“, sagt die Kirchenhistorikerin.
Für ihre Buchvorstellung am heutigen Abend hat sich Veronika Janssen vorgenommen, „so ein bis zwei Geschichten pro Jahrhundert“ zu erzählen – sonst werde es einfach viel zu viel. „Ich freue mich aber natürlich auf die Fragen und eine lebhafte Diskussion über diese Kirche, die zu den bekanntesten der Stadt zählt.“
Am heutigen Montag, 3. Dezember, stellt Veronika Janssen um 19.30 Uhr im Kulturhaus Eppendorf (Julius-Reincke-Stieg 13a) ihre Chronik „St. Johannis zu Eppendorf – eine Hamburger Dorfkirche vom Mittelalter bis heute“ (Solivagus Verlag) vor. Eintritt frei.
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