Norddeutschland

Kaum Pilze wegen des trockenen Sommers – wo die Suche lohnt

| Lesedauer: 4 Minuten
Maria Klimm und Florian Boldt
Anfänger sollten mit erfahrenen Sammlern in die Pilze gehen, um eine Verwechslung von giftigen und harmlosen Arten auszuschließen.

Anfänger sollten mit erfahrenen Sammlern in die Pilze gehen, um eine Verwechslung von giftigen und harmlosen Arten auszuschließen.

Foto: picture alliance

Die Ausbeute ist in diesem Jahr äußerst mäßig. Auch das Ökosystem leidet unter der Situation. Was Experten raten.

Hamburg. Nach dem heißen Sommer ist auch der Herbst ungewöhnlich warm. Was Sonnenhungrige freut, verdrießt Pilzfreunde. „Die Ausbeute an Pilzen ist dieses Jahr äußerst mäßig – und es gibt kaum Hoffnung auf Besserung“, sagt Geert Schmidt-Stohn. Der promovierte Mykologe (Pilzwissenschaftler) engagiert sich als Pilzsachverständiger und in der Giftinformationszentrale Nord.

Als Schmidt-Stohn mit anderen Pilzsammlern kürzlich auf der Insel Rügen war, fand er nur mehr rund 200 Pilzarten. Das ist ein deutlicher Rückgang der Artenvielfalt im Vergleich zu den Vorjahren: So hätten die Sammler einst durchschnittlich bis zu 500 verschiedene Pilze gefunden.

Auch seine Kollegen berichten ihm, dass es selten so schlimm um den Pilzbestand in Deutschland aussah. Was fehle, sei ergiebiger Niederschlag. „Der diesjährige Sommer war mit seiner ausgesprochen intensiven Trockenheit und lang anhaltenden Hitze außergewöhnlich“, sagt Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes.

Hamburgs BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch gibt die Hoffnung noch nicht auf: „Sollte es weiter mild bleiben und noch ausreichend Regen fallen, kann die Pilzsaison noch kommen. Es dauert etwa drei Wochen nach dem Regenereignis, bis die Pilze die Fruchtkörper ausgebildet haben.“ Dazu müsste es jedoch mehrere Tage hinweg regnen. Ein einmaliger starker Schauer sei nicht ausreichend.

Hier lohnt sich die Suche

Pessimistischer als Braasch ist Pilz­experte Schmidt-Stohn: „Für die normale Erscheinungszeit hat sich die Fruchtkörperbasis mitunter nicht richtig ausbilden können“, sagt er. Auch wenn es demnächst ausreichend regnen sollte, stehen die Chancen auf reiches Pilzwachstum weiterhin sehr, sehr schlecht“, meint Schmidt-Stohn.

Wer trotz der teilweise mageren Aussicht auf Pilze auf eine herbstliche Entdeckungstour gehen möchte, dem empfiehlt sich der Hamburger Westen oder Forstgebiete rund um Pinneberg, wo zuletzt Pilze gefunden wurden. Auch der Volksdorfer Wald und der Tangstedter Forst gelten als gute Sammelgebiete. Pilzsucher schätzen zudem den Sachsenwald, den Klövensteen und den Forst Rosengarten im Kreis Harburg.

Sammler sollten aber beachten: Zahlreiche Speisepilze stehen unter Naturschutz und dürfen nur in geringen Mengen gesammelt werden. Beim Sammeln sollte man es darüber hinaus nicht übertreiben und nur Pilze für ein bis zwei Mahlzeiten in die Körbe füllen – auch um das Ökosystem gerade nach diesem trockenen Sommer nicht zu sehr zu belasten.

Unbekannte Arten getrennt aufbewahren

„Symbiotische Pilze sind für Bäume, Sträucher und Wälder auf trockenen oder nährstoffarmen Standorten sogar überlebensnotwendig. Saprobiontische Pilze sind für den Nährstoffkreislauf von zentraler Bedeutung und wichtiger Bestandteil im Humus“, sagt Manfred Braasch. Zudem dienten sie auch Insekten und Wildtieren als Nahrung. Ob sich aus dem Rekordsommer dauerhafte Schäden für die Pilzbestände ergeben, sei derzeit aber noch nicht abzusehen.

Für Sammler ist wichtig: Nach Möglichkeit nur bekannte Pilze mitnehmen. Unbekannte Arten sollten, falls gesammelt, getrennt von den restlichen Funden aufbewahrt werden. Befindet sich nämlich ein Giftpilz darunter, reichen bereits kleinste Teile aus, um die gesamte Ausbeute zu verderben.

Viele genießbare Pilzarten verfügen übrigens über einen giftigen Zwilling. Auffällig sei dabei nicht nur die regionale Dopplung, sagt der Pilzsachverständige Schmidt-Stohn. Pilzsammler, die aus anderen Ländern oder Regionen kommen, verwechselten oft Speisepilze, die sie aus ihrer Heimat kennen, mit hiesigen ungenießbaren bis giftigen Arten.

Wer unsicher ist, sollte Kontakt zu geprüften Pilzsachverständigern aufnehmen. Eine Liste mit Kontaktdaten zu regionalen Pilzexperten stellt die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) bereit. Weitere Anlaufstellen sind etwa der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) oder die Naturschutzorganisation WWF Deutschland.

Giftinformationszentrale weiß im Notfall Rat

Kommt es trotz aller Sorgfalt nach dem Essen von Pilzen zu Symptomen wie Schweißausbrüchen oder Durchfall, besteht Vergiftungsgefahr. Es sollte schnellstmöglich ein Arzt oder die regionale Giftinformationszentrale kontaktiert werden. Für Hamburg ist die Giftinformationszentrale Nord (Telefon 0551 /192 40) zuständig.

„Bei den meisten Vergiftungs­annahmen handelt es sich um Kinder, die im Haus- oder Kindergarten Pilze pflücken und auf ihnen herumkauen“, sagt Schmidt-Stohn. In anderen Fällen lösen alte, falsch und zu lang gelagerte Pilze Vergiftungen aus. Speisepilze sollten ausreichend gedünstet werden, da sie mit Ausnahme weniger Arten roh generell giftig sind.

Wer auf Nummer sicher gehen will, unternimmt die erste Tour mit einem erfahrenen Sammler. Volkshochschulen oder Pilzvereine bieten solche Pilzwanderunen unter professioneller Anleitung an. Einen Vorteil sieht Schmidt-Stohn in der aktuellen Situation: „Es gibt so wenig Fälle von Pilzvergiftungen wie selten zuvor.“

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg