St. Pauli. Das nennt man Timing: Wenige Stunden, bevor Deutschland den Zuschlag für die Fußball-Europameisterschaft 2024 erhielt, verkündete Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Donnerstag auf St. Pauli, dass die Umgestaltung des Heiligengeistfeldes Mitte 2023 abgeschlossen sein werde: „Die Sanierung kommt gut voran.“ Einem großen Fanfest wie bei der Heim-WM 2006 stünde damit nichts mehr im Weg. Damals waren insgesamt 1,5 Millionen Besucher zum Public Viewing gepilgert.
Dass sich die 2012 gestartete Sanierung der 150.000 Quadratmeter großen Fläche überhaupt so lange hinzieht, ist mit mehreren ungewöhnlichen Umständen zu erklären. Wie Frank Arians vom Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG), der das Projekt durchführt, erklärte, seien nach dem Zweiten Weltkrieg tonnenweise Schutt und Munitionsreste auf dem Heiligengeistfeld abgeladen und verbuddelt worden. Hinzu kamen nicht explodierte Fliegerbomben, die vor allem dem großen Flakbunker galten. Daher muss die gesamt Fläche einer aufwendigen Kampfmittelsondierung unterzogen werden – diese ist zu 70 Prozent abgeschlossen. Vier große Blindgänger und haufenweise alte Granaten und Munition seien dabei gefunden worden, so Arians. Zweitens liegt ein etliche Kilometer langes Netz an Leitungen und Rohren in der Erde, dazu Reste von Luftschutzkellern und ein U-Bahn-Tunnel. Allein 2017 hätten Baggerschaufeln 20 bis 30 Leitungen durchtrennt. Drittens müssen die Arbeiten mehrmals im Jahr unterbrochen werden für Frühjahrs-, Sommer- oder Winterdom oder andere Großveranstaltungen. Aufgerissene Stellen werden dann wieder verfüllt und ein standfester Untergrund hergestellt. Danach beginnt die Buddelei von vorne. „Das ist wirklich keine 08/15-Baustelle“, sagte Dressel.
Daher waren der Senator und die LIG-Chefs mit dem Fortschritt zufrieden. Die gesamte Stromversorgung des Platzes, auf dem nur in den drei Dom-Monaten so viel Energie verbraucht wird wie in einer Kleinstadt im ganzen Jahr, ist bereits erneuert worden. Unter anderem wurden 60 Kilometer Starkstromkabel verlegt. Auch die Entwässerung wurde erneuert. Im nächsten Schritt soll die Fläche, die derzeit einen wilden Mix aus Asphalt, Grand, Pflaster, Beton, Rasen und Kies aufweist, einheitlich mit Betonsteinen gepflastert werden. Nur ein kleiner Bereich soll mit Grand bedeckt sein, damit dort Zirkusse ihre Zelte verankern können. Auch Verkehrswege und Grünanlagen werden einer Schönheitskur unterzogen. „Hauptziel der Maßnahmen ist die Schaffung einer modernen, multifunktionalen Veranstaltungsfläche“, sagte Dressel.
Dass die dafür bislang eingeplanten 52 Millionen Euro nicht ausreichen werden, hängt vor allem mit den Anschlägen von Nizza und Berlin zusammen, die mit Lkw verübt wurden. Großverstaltungen gelten spätestens seitdem als potenzielle Terrorziele und müssen entsprechend geschützt werden. Die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen, wie eine Wand an der Glacischaussee und Poller an den Eingängen, erhöhen die Kosten erheblich (siehe Seite 1). Um wie viel, ist noch offen. Dressel hofft, bis Ende des Jahres darüber Klarheit zu haben.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg