Tag des offenen Denkmals

Hamburgs bedeutende Häuser, Speicher und Schiffe öffnen sich

| Lesedauer: 9 Minuten
Sven Kummereincke
Das bunte Bleiglasfenster im Hotel Ameron in der Speicherstadt ist noch ein Original aus der Kaffeebörse, die hier seit 1887 untergebracht war

Das bunte Bleiglasfenster im Hotel Ameron in der Speicherstadt ist noch ein Original aus der Kaffeebörse, die hier seit 1887 untergebracht war

Foto: Thorsten Ahlf

Vom 7. bis zum 9. September sind 140 Denkmäler zugänglich – wir präsentieren hier eine Auswahl. Wohnhäuser sind auch dabei.

Hamburg. In einer großen Hafenstadt wie dieser muss man ja eigentlich niemandem erst erklären, wie positiv sich Internationalität und weltweite Kontakte auswirken. Aber in Tagen wie diesen kann es auch nicht schaden. Dabei geht es hier weniger um den Wohlstand, den der Handel mit aller Welt nach Hamburg gebracht hat, sondern um das Stadtbild. Da wäre zum Beispiel der Sohn französischer Einwanderer, der – inspiriert von einer Italienreise – seiner Heimatstadt so wundervolle Bauten wie die Alte Post und die Alsterarkaden hinterließ. Sein Name: Alexis de Chateauneuf (1799–1853). Oder der englische Ingenieur, der in Hamburg nicht nur die erste Eisenbahnlinie plante (nach Bergedorf), sondern auch die unterirdische Kanalisation schuf – und den widerlichen Gestank aus der Stadt verbannte, weil die Fleete nicht länger als Kloaken dienten. Sein Name: William Lindley (1808–1900).

Entdecken, was uns verbindet

Schon diese zwei Beispiele zeigen, wie sehr das bundesweite Motto des diesjährigen „Tags des offenen Denkmals“ vor allem nach Hamburg passt: „Entdecken, was uns verbindet“. „Das bezieht sich explizit auf das Europä­ische Kulturerbejahr. Es geht darum, einst Fremdes als Teil der eigenen Geschichte zu erkennen und zu verstehen, wie kultureller Austausch sich baukulturell in Hamburg manifestiert hat“, sagt Andreas Kellner, Leiter des Denkmalschutzamtes, das den Tag gemeinsam mit der Hamburger Stiftung Denkmalpflege ausrichtet.

Vom 7. bis 9. September öffnen rund 140 Gebäude ihre Türen. „Viele Denkmäler, an deren Rettung oder Restaurierung die Stiftung beteiligt war, sind an diesem besonderen Wochenende zu besichtigen“, sagt die Geschäftsführerin Irina von Jagow.

Kirchen, Schulen, Speicher und Mühlen

Die Auswahl ist wahrlich nicht eintönig: Kirchen und Wohnhäuser, Industriearchitektur und Speicher, Mühlen, Bauernhäuser, Schiffe und Schulen warten darauf, entdeckt zu werden. Und bei vielen von ihnen lässt sich beobachten, wie andere Kulturen ihre Spuren hinterlassen haben. „Manchmal ist das offensichtlich, etwa beim Vattenfall-Gebäude in der City Nord oder dem Christianeum – beide vom dänischen Architekten Arne Jacobsen“, erläutert Kellner. Manchmal seien die Spuren auch etwas versteckt. „Das gilt für die Handwerkskammer und die Hochschule für Bildende Künste: Hier wie dort haben wir Jugendstilfenster von Carl Otto Czeschka, einem Gestalter der Wiener Werkstätte, der in Hamburg lebte und lehrte.“

Irina von Jagow und Andreas Kellner hoffen, dass auch in diesem Jahr mehr als 30.000 Besucher den Tag des offenen Denkmals nutzen, um Neues vor der Haustür zu entdecken.

Wir stellen eine kleine Auswahl von Orten vor, deren Besuch sich am kommenden Wochenende besonders lohnt.

Ein Monument aus der großen Zeit des Zirkus

Es ist das letzte seiner Art: Das 1891 errichtete Zirkusgebäude steht für die Vergnügungskultur der damaligen Zeit. Der in der Schilleroper beheimatete Circus Busch hatte in (nicht mehr existenten) Nebengebäuden Elefantenställe und Artistenwohnungen untergebracht. Seit 1939 schon ungenutzt, droht dem Gebäude trotz Denkmalschutz der Abriss, den eine Anwohnerinitiative verhindern will.

Schilleroper, Bei der Schilleroper 15, Führungen am So 13 und 15 Uhr, mit Vortrag; Treffpunkt im „Haus der Familie“ gleich nebenan.

Ein prächtiger Galerie-Holländer

Fast alle norddeutschen Windmühlen sind „Holländer“, weil die moderne Form dieser Mühlen in den Niederlanden erfunden wurde. In Bergedorf steht ein „Galerie-Holländer“, weil so die Flügel vom „Balkon“ aus erreicht werden konnten. Mit dem Baujahr 1831 ist die relativ jung, wurde aber bis 1968 betrieben (mithilfe eines Dieselmotors). Der Verein Bergedorfer Mühle hat sie vollständig erhalten und saniert.

Bergedorfer Mühle, Chrysanderstr. 52a, So. 11 bis 17 Uhr, Führungen nach Bedarf, außerdem gibt es eine Fotoausstellung.

Ein großes Bauernhaus aus dem 16. Jahrhundert

Mit dem Baujahr 1547 ist das Moorfleeter Hufnerhaus eines der ältesten Gebäude Hamburgs. Der Begriff ist typisch norddeutsch für das Wohnhaus eines Marschbauern direkt am Fleet. Das zweigeschossige Hallenhaus wurde 2015 vor dem Verfall gerettet und wird jetzt zum Zentrum der neuen Jugendbauhütte Hamburg, in der Jugendliche unter baufachlicher Anleitung ihr soziales Jahr absolvieren können und so zur Denkmalerhaltung beitragen.

Hufnerhaus, Moorfleeter Deich 483, Sa geöffnet von 12 bis 17 Uhr, Führungen nach Bedarf.

Ein Raum, in dem Warten noch Spaß machte

Was heute schnöde und modern DB-Lounge heißt, war früher ein prachtvoller Saal – und im Harburger Bahnhof ist der historische Saal aus Kaisers Zeiten noch erhalten. Über Gleis 3 & 4 des früheren Hauptbahnhofs (1872 in Betrieb genommen) befindet sich der luxuriöse Warteraum mit der ursprünglichen Kassettendecke, in dem heute der „Kunstverein Harburger Bahnhof“ untergebracht ist.

Ehemaliger Wartesaal Harburger Bahnhof, Hannoversche Str. 85, geöffnet So von 12 bis 18 Uhr, Führungen jeweils zur halben Stunde.

Viel Geld, viel Beton und ganz viel Kunst

Das soll ein Denkmal sein? Aber ja! Das 1981 entstandene Bundesbankgebäude gehört zu den letzten im sogenannten Brutalismus-Stil („Beton brut“, „roher Beton“) entstandenen Bauten. Der Begriff bezeichnet Betonbauten aus den 50er- bis in die 80er-Jahre. Die Bundesbank ist aber mit Brunnen und Plastiken (außen) und vielen modernen Kunstwerken im Inneren nicht nur architektonisch interessant.

Bundesbank Hamburg, Willy-Brandt-Str. 73; Sa 11 bis 20 Uhr geöffnet, es gibt Führungen, Vorträge, Quiz und Musik.

Koptische Kirche mit Hamburger Geschichte

Das 1852 eingeweihte Schröderstift am Schlump sollte damals „unverschuldet in Not geratenen Frauen höheren Standes“ eine Unterkunft bieten. Der Architekt Albert Rosengarten hat die dreiflügelige Anlage im Stile des Historismus geplant. Im Zentrum der Anlage ist die Kapelle, die heute von der koptischen Gemeinde genutzt wird und nun zu besichtigen ist. Die Wohnungen werden seit 1981 von der Mieterselbstverwaltung unterhalten.

Kapelle, Schröderstiftstr. 34, geöffnet So von 15 bis 18 Uhr, zu Beginn gibt es einen Vortrag.

Weimarer Architektur aus Österreich

In Blankenese schuf der Österreicher Clemens Holzmeister mit Maria Grün einen ebenso typischen wie bedeutenden Kirchenbau der Weimarer Republik. In zylindrischen Grundformen zeigt sich der Zeitgeist der liturgischen Reformbewegung, die auch Nähe zwischen Pfarrer und Gemeinde herstellen will. Besonders schön sind die Fenster des Malers Heinrich Campendonk, der Mitglied im Blauen Reiter war.

Kirche Maria Grün, die Kirche ist täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet, Sa um 14.30 Uhr gibt es eine Führung.

Eine Baracke gegen das Vergessen

Zigtausende Zwangsarbeiter waren während des Zweiten Weltkriegs in Hamburg, um meist für die Rüstungsindustrie zu arbeiten – auch in Fuhlsbüttel, wo einige der Baracken erhalten geblieben sind, in denen 150 Arbeiter lebten. Die Willi-Bredel-Gesellschaft hat sie saniert und nutzt sie als Ausstellungsräume, um über die Schicksale der Zwangsarbeiter zu berichten.

Ehemalige Zwangsarbeiterbaracke, Wilhelm-Raabe-Weg 23, geöffnet sonntags 14 bis 17 Uhr, Führungen und Filmvorführungen nach Bedarf.

Italienisches Flair hinter schnöder Fassade

Kein anderes Gebäude in Hamburg versteckt hinter einem derart schlichten Äußeren ein so prachtvolles Innenleben: Die Abendschule am Holstenglacis ist im italienischen Renaissancestil errichtet; der Innenhof ist von weißen Arkaden umgeben und hat ein Glasdach. Der damalige Baudirektor Carl Johann Zimmermann hat die Schule 1875/76 geplant – und wegen der Sparvorgaben der Stadt ist sie von außen ein schlichter gelber Backsteinbau.

Abendschule Holstentor, Holstenglacis 6, Fr 15 bis 21 Uhr geöffnet, Sa 11 bis 15 Uhr.

Das Programm

Die Auftaktveranstaltung „Was uns verbindet – in Hamburg internationale Kulturgeschichte entdecken“ beginnt am Freitag, 7. September, um 16 Uhr im alten Pumpwerk bei Hamburg Wasser, Billhorner Deich 2. Im Zentrum der Vorträge stehen die vielfältigen europäischen Einflüsse auf Hamburgs Architektur. Jeder Interessierte ist willkommen.

Es gibt ein Familien- und Kulturprogramm mit Kino, Konzerten, Hörspielen und Führungen sowie Malaktionen, Kinderrallyes und Bastelangeboten.

Details stehen im Programmheft mit allen Terminen, es liegt in vielen Kultureinrichtungen aus, online steht es unter www.denkmalstiftung.de

Ein Barkassen-Shuttle verbindet am Sonntag den Hamburger Hafen mit dem Harburger Binnenhafen (ab Ponton Hohe Brücke 2, 10.30, 13.30 und 16.30 Uhr; ab Harburger Binnenhafen 12, 15 und 18 Uhr). In Bergedorf wird es eine Ringlinie mit einem historischen Omnibus geben, auch eine alte S-Bahn fährt. In Harburg gibt es am Sonnabend eine vierstündige Radtour (Treff um 10 Uhr Kanalplatz 16), unter anderem zum Jüdischen Friedhof.

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