Hamburg. Wie absurd unausgewogen die Verkehrs- und Straßenplanung deutscher Städte in der Nachkriegszeit war, verdeutlicht ein Bild aus Frankfurt: Verkehrsplaner Hartmut Topp zeigt eine 20 Meter breite Straße, die von 1,5 Meter breiten Gehwegen flankiert wird. Radwege? Fehlen ganz. Typisch für die „autogerecht“ geplante Stadt. Erst seit zehn Jahren setzt sich wieder ein Verhältnis von 60 Prozent Rad- und Fußweg bei 40 Prozent Fahrbahnfläche durch.
Beim Vortrag des renommierten Verkehrsplaners in der Patriotischen Gesellschaft zum Thema „Stadt und Mobilität – Was kann Hamburg von anderen Städten lernen?“ gab es mehrere dieser „autogerechten“ Beispiele. Ulm, Köln, Hamburg – im Grunde hat jede Stadt ihre Willy-Brandt-Straße, die Metropolen zerschneidet und trennt. Untertunneln, wie von der Handelskammer vorgeschlagen, sei zwar ein Ansatz zur Fehlerkorrektur. Laut Topp brauche es aber vor allem politischen Mut, originelle Ideen gegen Widerstände der Autolobby durchzusetzen. „Meist reguliert sich der Autoverkehr dann allein und reduziert sich um bis zu 50 Prozent.“
Die Paris-Plages, die am Seine-Ufer eine Straße ersetzten, seien ein Beispiel. Der Domplatz in Speyer als „ältester shared space“ Deutschlands zeige zudem seit den 90er-Jahren, dass eine Fläche, auf der alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind, funktioniere. Ganz grundsätzlich, so Topp, seien historische, präautomobile Stadtpläne ein gutes Argument für Lösungen von heute. Auf diese Art habe etwa Ulm seine „Durchstichstraße“ korrigiert.
Verkehrswissenschaftlerin Philine Gaffron von der Technischen Universität Hamburg führte als Beispiel für mutige Lösungen den Times Square in New York an, die Kreuzung von Broadway und Seventh Avenue. Der Broadway wurde einfach für Autos gesperrt – und es funktioniere trotzdem. Für die Mobilität in Hamburg sei das kategorische Aus bei der Stadtbahn falsch, „da es eine politische, keine fachliche Entscheidung war“. Keine europäische Metropole verzichte beim Mobilitätsangebot auf eine Straßenbahn.
Architekt Boris Strzelczyk berichtete vom spanischen Modell. In Valencia etwa werde mit wenig Geld viel erreicht. Die Zufahrt in die Innenstadt sei dort an vier Stellen für Autos verboten worden, ein Ringradweg sinnvoll vernetzt. Ergebnis: 3000 Radfahrer täglich, zehn Prozent weniger Autos. Beim „Placemaking“ werden Parkplätze zu Fußgängerzonen. Und statt einer Autobahn wurde schon in den 80er-Jahren ein sieben Kilometer langer Park ins alte Bett des Flusses Turia gebaut. Dieser Mut, so Strzelczyk, mache Valencia noch heute stolz.
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