Eimsbüttel

Radfahrer fordern „endlich Konsequenzen“

| Lesedauer: 5 Minuten
Nico Binde und Achim Leoni

Wut nach dem tödlichen Unfall in Eimsbüttel: Der Umbau der Gefahrenstelle wird seit Langem geplant – stockt aber weiter

Eimsbüttel.  Nach dem Tod einer 33 Jahre alten Radfahrerin auf der Osterstraße haben Verbände und Politiker Konsequenzen gefordert. In der Diskussion sind dabei nicht nur verpflichtende Abbiege-Assistenten für Lkw, sondern auch Umbaumaßnahmen an der Unfallstelle. Vor allem der Eppendorfer Weg, immerhin Teil der Veloroute 13, wird wegen fehlender Radwege seit Jahren als Gefahrenquelle eingestuft – bislang ohne sichtbare Resultate.

Als Sofortmaßnahme verlangt nun der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Hamburg (ADFC), den Eppendorfer Weg zur Tempo-30-Zone zu erklären. Angesichts der geplanten Veloroute soll auch über eine Umwidmung zur Fahrradstraße nachgedacht werden. „Unzählige Straßen in Hamburg haben mangelhafte Radinfrastruktur, immer noch sind zentrale Einkaufsstraßen wie der Eppendorfer Weg für Radfahrer höchst unattraktiv“, sagt der stellvertretende Vorsitzende Dirk Lau.

Wie berichtet, hatte Unfallopfer Saskia Sch. am Montagmorgen mit ihrem Fahrrad am Eppendorfer Weg die Osterstraße auf der Radfurt überquert, als sie von einem nach rechts abbiegenden Kühllaster erfasst und überrollt wurde. Die Mutter zweier Kinder war noch an der Unfallstelle verstorben. Bei einer bewegenden Gedenkveranstaltung am Abend hatten sich etwa 50 Radfahrer auf die Fahrbahn gelegt, um eine Mahnwache für Todesopfer zahlreicher ähnlicher Abbiegeunfälle abzuhalten.

Tatsächlich wird die Kreuzung Eppendorfer Weg/Osterstraße bei der Polizei als „Unfallhäufungsstelle“ geführt. „Auslöser dafür waren sechs Verkehrsunfälle innerhalb von drei Jahren, bei denen fünf leicht verletzte Beteiligte und ein leicht verletzter Mitfahrer zu beklagen waren“, so ein Polizeisprecher. Doch auch auf der gesamten Länge des Eppendorfer Wegs ist die Zahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrer- und Fußgängerbeteiligung über dem Hamburger Durchschnitt, wenn auch nur leicht.

Es war offenbar schon schlimmer. Nach einer Erhebung der Polizei ging die Zahl der Unfälle in den Jahren 2000 bis 2015 von 270 auf 118 zurück. Dabei kamen zwei Fußgängerinnen zu Tode – zuletzt starb 2013 eine Frau an der Kreuzung Hoheluftchaussee ebenfalls durch einen abbiegenden Lkw. Zudem gab es an der beliebten Einkaufsstraße 39 Schwer- und 314 Leichtverletzte.

Die Linke fordert deshalb seit Langem, den Eppendorfer Weg zur Tempo-30-Zone zu erklären. „Doch die entsprechenden Anträge wurden stets abgelehnt“, klagt Peter Gutzeit, der verkehrspolitische Sprecher der Bezirksfraktion. Die Polizei erachtet derzeit eine Geschwindigkeitsbegrenzung nur vor sozialen Einrichtungen wie Schulen, Kitas, Alten- und Pflegeheimen für „möglich“. Beim tragischen Unfall allerdings habe die Geschwindigkeit keine Rolle gespielt.

Unabhängig von der Tempo-30-Frage streben die Bezirke Nord und Eimsbüttel einen Umbau des Eppendorfer Wegs an. Die Planungen seien allerdings noch nicht fortgeschritten, zunächst müssten die Ergebnisse der Zustandsuntersuchung ausgewertet werden, um daraus sinnvolle Maßnahmen abzuleiten. Sorgfalt gehe vor Eile, heißt es aus der Verkehrsbehörde. Sprecherin Susanne Meinecke macht aber Hoffnung, dass auch an Radfahrer gedacht werde: „Da es eine Veloroute ist, ist das Bündnis für den Radverkehr eingebunden.“ Bisher gibt es am Eppendorfer Weg im Grunde keinen Raum für Radfahrer (siehe Begleittext unten).

Erst vor einer Woche thematisierte der Verkehrsausschuss des Bezirks Eimsbüttel die Situation auf dem Eppendorfer Weg. Im Ergebnis forderte die Politik die zuständige Verkehrbehörde auf, ihre Planungen zum Umbau zügig vorzustellen. Aus Sicht der Polizei wäre „mit hergestellten Radverkehrsanlagen ein Plus an Sicherheit zu erwarten“. Ob ein Radweg die Tragödie verhindert hätte, könne wegen des noch ungeklärten genauen Unfallhergangs allerdings nicht beurteilt werden.

Der Verkehrspsychologe Jens Schade hatte jüngst im Abendblatt grundsätzlich für bessere Sichtbarkeit plädiert: „Spätestens an Kreuzungen queren sich die Wege von Fußgängern, Radfahrern und Autos, leider oft überraschend für den anderen.“ Viele Konflikte resultierten deshalb aus unerwarteten Begegnungen. „Gute Sichtbarkeit, etwa durch Radfahrstreifen auf der Straße, kann die Situation verbessern“, so Schade. Dieser Ausbaustandard hat sich bereits an vielen Stellen in Hamburg durchgesetzt. Das Prinzip dahinter sei laut Schade: „Wenn Autofahrer die Radfahrer auf der Straße erwarten, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, sie rechtzeitig wahrzunehmen. Die moderne Verkehrsplanung orientiert sich daran.“

Darauf setzt auch der Verkehrs­experte der Eimsbütteler Grünen, Fabian Klabunde: „Ich hoffe, dass die Lehren aus dem Unfall in den Umbau des Eppendorfer Wegs einfließen werden.“ Derweil wird gegen den Lkw-Fahrer wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt. Ob sich der 48-Jährige vor Gericht verantworten muss, ist offen. Noch sei der Unfallhergang nicht vollständig rekonstruiert, sagte ein Polizeisprecher. Erst dann würde entschieden, ob der Vorgang an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet wird.

Möglicherweise wäre der Tod von Saskia Sch. – wie auch zwei weitere tödliche Lkw-Unfälle von jungen Radfahrerinnen in München und Leipzig – mit einem elektronischen Abbiege-Assistenz-System verhindert worden. Experten fordern, Lastwagen entsprechend aus- und nachzurüsten. Theoretisch würde es schon reichen, dass die Spiegel richtig eingestellt seien. Doch das ist oftmals nicht der Fall.

Die Hamburger Polizei hat bei einem Aktionstag im Februar 2017 erklärt, wie Abbiegeunfälle mit Nutzfahrzeugen zu vermeiden sind. Hierfür wurden sogenannte Spiegel-Einstellplanen entwickelt. Doch offenbar reicht der gute Wille allein nicht aus, um Menschenleben im toten Winkel zu schützen.

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