Hamburg. Es fällt schwer, Christin Düde zu verstehen. Sie steht am Rand der stark befahrenen Eiffestraße und erzählt vom Effekt der Anfang des Jahres aufgestellten Tempo-30-Schilder, die für die Zeit von 22 bis 6 Uhr hier und an fünf weiteren Hauptverkehrsabschnitten für Nachtruhe sorgen sollen (wir berichteten). Gut unterhalten kann man sich hier vor 22 Uhr nicht, denn Fahrzeuge brettern mit Geschwindigkeiten um die 50 Kilometer pro Stunde über die Hauptstraße. Das Abendblatt hat genauer hingehört, ob die Tempodrosselung nachts für Ruhe sorgt, und den Lärmtest an drei Straßen gemacht.
Es ist 19 Uhr. Der nicht abreißende Verkehrsfluss auf dem vierspurigen Hauptstraßenabschnitt der Eiffestraße zwischen Luisenweg und Schurzallee Nord bringt das Lärmmessgerät zum Ausschlagen. Zwischen 60 und 70 Dezibel(A) zeigt es an, wenn zwei Meter neben der Straße gemessen wird.Anwohnerin Christin Düde bewegt sich etwa 20 Meter von der Fahrbahn weg, um das begonnene Gespräch fortzusetzen. Dort misst das Gerät 60 bis 63 dB(A) bei flüssigem Verkehr. Kommen die Fahrzeuge an der Ampel zum Stehen, sinkt der Lärmpegel auf 50 dB(A).
Permanentes Verkehrssummen
Gegen 22 Uhr verschwindet die akustische Hektik an der Eiffestraße. Das Lärmmessgerät schlägt um drei bis fünf dB(A) weniger aus. Die Anzeige landet zwischen 57 und 65 dB(A). Das deckt sich mit dem Empfinden von Christin Düde. „Es ist seit Einführung von Tempo 30 nachts ein bisschen leiser geworden“, sagt die 26-Jährige, die im angrenzenden Reihenhaus wohnt. Sie schläft bei offenem Fenster – allerdings mit Ohropax. Sie sei vor zweieinhalb Jahren vom Land hierher gezogen und könne sich generell noch nicht an das permanente Verkehrssummen gewöhnen. „Ich empfinde es als leiser“, sagt auch Anwohner Jens Pusback. „Allerdings sind diese Einschätzungen subjektiv.“
Im Januar stellten die Bezirke die Schilder auf. Betroffen sind neben der Eiffestraße Abschnitte der Holtenklinker Straße, Bergedorfer Straße, Vogt-Wells-Straße, Rennbahnstraße und des Mühlendamms. Ob Tempo 30 nachts tatsächlich für Ruhe sorgt, könne offiziell noch nicht gesagt werden. Es gebe noch keine Evaluierungsergebnisse, so Jan Dube von der Umweltbehörde.
Halbierung der Verkehrsmenge
Das Abendblatt hat auch am Mühlendamm/Kuhmühle gemessen. Hier zeigt das Gerät tagsüber zwischen 68 und 70 db(A) bei flüssigem Verkehr an. Fahren die Fahrzeuge an einer der drei Ampeln an, die auf dem Streckenabschnitt zwischen Lübecker Straße und Armgartstraße stehen, schlägt das Gerät sogar bis 76 db(A) aus. Trotz der Tempo-30-Schilder zeigt das Messgerät nachts am Mühlendamm noch 65 bis 72 dB(A) an. Offensichtlich fehlt hier grüne Welle bei Tempo 30. Zwei Anwohnern, die direkt an der Straße wohnen, fällt ebenfalls wenig Veränderung auf. „Ich finde, der Lärm ist gleich geblieben“, sagt eine junge Hamburgerin, die schon seit fünf Jahren hier wohnt.
Christian Popp, Geschäftsführer des Ingenieurbüros „Lärmkontor“, das sich mit Immissionsschutz beschäftigt. sagt: „Die Ampelschaltung muss angepasst werden. Das ist eine Grundvoraussetzung, damit der Effekt einer 30er-Zone eintritt. Sonst macht das den schönen Pegel kaputt.“ Er hält Tempo 30 an stark befahrenen Straßen mit angrenzenden Wohngebieten für sinnvoll: „Wird der Lärm um zweieinhalb Dezibel reduziert, entspricht das einer Halbierung der Verkehrsmenge. Das ist deutlich zu spüren.“
Einführung weiterer Zonen verzögert sich
Eine dritte Messung an der Vogt-Wells-Straße. Der Streckenabschnitt zwischen Julius-Vosseler-Straße und Osterfeldstraße ist mit Abstand der kürzeste im Vergleichstest. Fahrzeuge beschleunigen zwischen den Ampeln, die den kurzen Abschnitt begrenzen, nicht auf hohe Geschwindigkeiten. Der Lärmpegel stagniert um die 68 dB(A) und schlägt nur bei einem vorbeifahrenden Laster auf 75 dB(A) aus. Nach 22 Uhr verringert sich der Lärmpegel deutlich und pendelt zwischen 60 und 65 dB(A).
„Tagsüber gibt es mehr Verkehr, Fahrzeuge fahren schneller. Messtechnisch wurde richtig erfühlt, dass die Lärmspitzen nachts runtergehen“, erklärt Popp die Ergebnisse des Lärmvergleichs. Für eine valide Einschätzung bedürfe es allerdings auch der Messung anderer Parameter wie Geschwindigkeiten und Typen der Fahrzeuge.
Weitere vier Tempo-30-Abschnitte
„Generell scheinen die nächtlichen Tempo-30-Strecken zu wirken“, freut sich Malte Siegert vom Naturschutzbund. Er plädiert dafür, eine Tempodrosselung flächendeckend einzuführen, vor allem dort, wo auf vier- bis sechsspurigen Straßen viel Lärm entsteht, der Anwohner stört. Bisher bleibt das ein Wunsch. Die Einführung von weiteren vier Tempo-30-Abschnitten, die im ersten Halbjahr dieses Jahres abgeschlossen sein sollte, verzögert sich. „Sie sollen voraussichtlich im Spätsommer ausgewiesen werden“, sagt Behördensprecher Jan Dube.
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