Hamburg. Nach der Rekordniederlage der CDU 2015 wurde der Neugrabener André Trepoll zum Chef der Bürgerschaftsfraktion gewählt. Bis Ende 2016 kannten den verheirateten Vater zweier Kinder laut Umfragen nur wenige Hamburger. In diesem Jahr aber hat der 40-Jährige an seinem Profil gearbeitet – mit Plakatkampagnen, einem neuen Facebook-Auftritt, pointierten Bürgerschaftsreden und klaren Positionen zu den Jahresthemen wie G 20, der Weltstadtdebatte oder dem Streit über die neue Straßenreinigungsgebühr. Im Abendblatt-Interview zieht Trepoll ein Resümee seines politischen Hamburg-Jahres – und macht Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) einen überraschenden Vorschlag.
Herr Trepoll, das Jahr ist fast zu Ende, wie fällt Ihre Bilanz der eigenen Arbeit für 2017 aus?
André Trepoll: Aus Sicht der Opposition war das ein erfolgreiches Jahr. Für Olaf Scholz war 2017 eine Zäsur. Er hat sich selbst entzaubert – mit G 20, dem Nichtstun bei der Roten Flora, den Problemen bei der Polizei oder seinem unsinnigen Plan einer neuen Müllgebühr für alle Hamburger. Sein gutes Regieren ist bloß noch ein simpler Marketing-Gag. Als CDU-Fraktion haben wir mit relativ wenigen Abgeordneten bewiesen, dass wir mittlerweile auf Augenhöhe agieren, dass wir den Senat mit unseren Ideen vor uns hertreiben und dass wir kampagnenfähig sind – wie wir bei der Verhinderung der Müllgebühr gezeigt haben.
Ende 2016 kannte kaum ein Hamburger Ihren Namen. Glauben Sie, dass sich das geändert hat?
Als Oppositionsführer ist es natürlich meine Aufgabe, auch als Person unsere Inhalte zu transportieren. Ich denke, dass ist in diesem Jahr auch gut gelungen. Bei Gesprächen mit den Hamburger Bürgern spüre ich wieder stärkeren Zuspruch. Auch aus der Wirtschaft gibt es hörbar viel Kritik an Rot-Grün und wachsende Unterstützung für uns. All das stärkt natürlich unsere Motivation für unsere konstruktive Oppositionsarbeit. Es geht dabei aber immer um Köpfe und vor allem auch Inhalte. Köpfe alleine reichen nicht.
Sie haben nach G 20 den Rücktritt von Olaf Scholz gefordert, Kanzlerin Merkel hat das zurückgewiesen. Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse lobte Scholz mit Blick auf eine Große Koalition im Bund gerade als kompetent und zuverlässig. Besonders kohärent wirkt das nicht.
Natürlich haben Bundespolitiker einen anderen Blick auf die Dinge als die Hamburger Opposition. Für uns ist klar: Olaf Scholz hat bei G 20 seine Sicherheitsversprechen gebrochen und Hamburg den Gewalttätern zumindest zeitweise ohne Widerstand ausgeliefert. Ich stehe mit meiner Politik für die Interessen der Hamburgerinnen und Hamburger und nicht in erster Linie der meiner Partei. Und mit Blick auf die Bundes-SPD hat sich doch gerade gezeigt: Das Gemäkel von Olaf Scholz an den eigenen Leuten, ohne den Mut, dann auch selbst anzutreten, ist in der SPD nicht gut angekommen. Auch auf Bundesebene ist Scholz 2017 mit dem schlechtesten Ergebnis aller Stellvertreter gnadenlos entzaubert worden.
Was sind aus Ihrer Sicht in Hamburg die zentralen Themen bis zur Bürgerschaftswahl 2020?
Besonders wichtig sind die Themen Sicherheit, die Wirtschaft, die Bildungs- und die Verkehrspolitik. Und in all diesen Bereichen steht der rot-grüne Senat schlecht da. Hamburgs Polizisten sind auch durch G 20 und die Aufarbeitung so überlastet, dass Tausende Ermittlungsverfahren liegen bleiben. Die Wirtschaftsentwicklung hinkt hinter fast allen Bundesländern hinterher, und insbesondere Hamburgs Hafen leidet unter den Verzögerungen bei der Elbvertiefung. Und in Sachen Verkehr steht Hamburg kurz vor dem Kollaps. Dass Rot-Grün glaubt, alle Hamburger aufs Fahrrad nötigen zu müssen, macht es nicht besser. Die neuen Zahlen zeigen ja auch, dass die Menschen das nicht mitmachen.
Was würden Sie in der Verkehrspolitik anders machen?
Wir brauchen ein integriertes Verkehrskonzept, das alle Verkehrsteilnehmer berücksichtig, mehr intelligente Ampelschaltungen und weniger Parkplatzvernichtung. Vor allem muss der rot-grüne Park-and-ride-Unsinn beendet werden. Mit der Einführung hoher P+R-Gebühren hält Rot-Grün die Menschen ja absurderweise von der Nutzung von Bus und Bahn ab. Und natürlich brauchen wir auch eine Förderung des Radverkehrs. Aber nicht so, wie Rot-Grün es macht mit dem Aufpinseln von Fahrradstreifen auf Hauptstraßen, manche sprechen ja sogar schon von Suizidstreifen. Wenn ich mit meinen Kindern Rad fahre, erlebe ich vor allem kaputte Radwege. Die Grünen können einem dabei fast leid tun. Die haben nur noch das Thema Radfahren. Und das betreiben sie als ideologische PR-Nummer, statt ideologiefrei und vernünftig Politik zu machen.
Sind die Grünen, Ihr einstiger Koalitionspartner , jetzt eigentlich wieder ihr Hauptgegner? Könnte es nicht sein, dass Sie die Grünen irgendwann mal wieder als Partner brauchen?
Dass wir die Fehler des Senats und auch der Grünen deutlich benennen, ist doch klar. Das ist unsere Aufgabe als Opposition. Unüberbrückbare Differenzen zwischen CDU und Grünen sehe ich aber nicht. Ich habe auch persönlich ein gutes Verhältnis zu vielen Grünen.
Sie haben die Bildungspolitik angesprochen: Bekommen wir zur Wahl 2020 eine Debatte über G9 an Gymnasien?
2020 läuft ja der gemeinsam beschlossene Schulfrieden aus. Diese Jahre ohne große Änderungen an der Schulstruktur haben den Schulen gutgetan. Deswegen biete ich dem Bürgermeister hiermit an, im kommenden Jahr mit uns über eine Verlängerung des Schulfriedens zu verhandeln. Die SPD muss sich fragen, ob sie auch dieses Thema im Hinterzimmer entscheiden will – oder ob wir das in der Stadt gemeinsam und offen besprechen. Meine Hand für Verhandlungen über eine gemeinsame Lösung ist ausgestreckt.
Mit welcher Position würden Sie in solche Verhandlungen gehen? Durch das Zweisäulenmodell gibt es in Hamburg ja bereits die Möglichkeit des Abiturs mit G9 – an Stadtteilschulen.
Das stimmt. Wir als Hamburger CDU haben uns in diesem Punkt noch nicht abschließend festgelegt. Nun warten wir mal ab, ob der Bürgermeister überhaupt zu Verhandlungen bereit ist.
Würde die CDU das Thema andernfalls im Wahlkampf nutzen?
Wenn wir keine gemeinsame Linie finden, wird man Unterschiede bei so einem wichtigen Thema nicht aus dem Wahlkampf heraushalten können.
Als Fraktionschef gelten Sie als potenzieller Spitzenkandidat für 2020. Man hört aber gelegentlich, Sie hätten keine große Lust auf eine Kandidatur.
Was Sie so hören. Natürlich gehört es zu der Rolle eines Oppositionsführers, sich grundsätzlich die Spitzenkandidatur und das Bürgermeisteramt zuzutrauen. Wir haben entschieden, dass wir den Spitzenkandidaten oder die Spitzenkandidatin Ende 2018 aufstellen wollen. Das ist mit mehr als einem Jahr vor der Wahl rechtzeitig genug. Dazu werden CDU-Landeschef Roland Heintze und ich einen gemeinsamen Vorschlag machen.
Wollen Sie antreten?
Es gibt dazu noch keine Festlegung. Ich bin Oppositionsführer und stelle mich mit aller Kraft dieser demokratisch wichtigen Aufgabe. Ich stimme Herrn Scholz ausdrücklich zu, dass der Wettbewerb um das Amt des Bürgermeisters zwischen den beiden großen Volksparteien SPD und CDU stattfinden muss. Diesen Wunsch werden wir ihm bei der Wahl 2020 gern erfüllen.
Ist es auch denkbar, dass die CDU jemanden von außerhalb holt? Jemanden wie zum Beispiel Karin Prien, früher profilierte Bildungspolitikerin in Hamburg und derzeit Bildungsministerin in Schleswig-Holstein?
Karin Prien hat gerade das Ministeramt in Kiel übernommen und macht dort einen hervorragenden Job. Ich glaube, das würde sie selbst nicht für konsistent halten, Schleswig-Holstein nach anderthalb Jahren den Rücken zu kehren und nach Hamburg zurückzugehen. Grundsätzlich gilt für die Auswahl der Kandidatin oder des Kandidaten: Als Hamburger CDU haben wir das Ziel, die Person zu nominieren, die am besten in der Lage ist, mit unseren Inhalten erfolgreich vor die Hamburgerinnen und Hamburger zu treten. Dahinter müssen alle persönlichen Wünsche zurücktreten. Eines kann ich versprechen: Wir werden den Wählerinnen und Wählern inhaltlich wie personell ein gutes Angebot machen, das klarmacht: Es ist Zeit für etwas Neues.
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