Hamburg. Der rot-grüne Senat will die universitäre Ausbildung der Lehrer grundlegend reformieren. Künftig soll es einen eigenständigen Studiengang für das Lehramt an Grundschulen geben. Für die Stadtteilschule ist das jedoch nicht vorgesehen: Über das Gymnasial-Lehramtsstudium werden die Pädagogen in Zukunft für Gymnasien und auch für Stadtteilschulen ausgebildet. Das bisherige Kombi-Lehramt für Grund-, Haupt- und Realschulen (GHR) entfällt, da es auch keine Haupt- und Realschulen mehr in Hamburg gibt.
Die größten Veränderungen werden die künftigen Grundschullehrer erleben: Jeder angehende Pädagoge muss drei Fächer studieren (bislang zwei), von denen allerdings Deutsch und Mathematik Pflicht sind. Das dritte Fach darf der Studierende dazuwählen. „Wir sind davon überzeugt, dass es sich bei Deutsch und Mathematik um Schlüsselqualifikationen handelt, die erforderlich sind, um später einmal im Berufsleben erfolgreich zu sein und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD).
Der Studiengang für das Lehramt an Gymnasien mit zwei Unterrichtsfächern bleibt im Kern unverändert. Besonders der hohe Anteil fachlicher und fachdidaktischer Ausbildung soll erhalten bleiben. Mit der Vereinheitlichung der Lehrerausbildung für Gymnasien und Stadtteilschulen weicht der rot-grüne Senat vom Vorschlag der von ihm eingerichteten Expertenkommission ab. Die Wissenschaftler und Schulpraktiker unter Leitung des Münsteraner Bildungswissenschaftlers Prof. Ewald Tenhart hatten ein eigenständiges Lehramt für Stadtteilschulen vorgeschlagen.
„Schon jetzt hat sich der Einsatz von Gymnasiallehrern an Stadtteilschulen außerordentlich bewährt“, sagte Rabe. Derzeit unterrichten etwa gleich viele Gymnasiallehrer (40 Prozent) und GHR-Lehrer (42 Prozent) an Stadtteilschulen. Zudem sind Sozial- und Sonderschulpädagogen sowie Berufsschullehrer an dieser Schulform vertreten. Einen weiteren Vorzug sieht Rabe darin, dass künftig alle Lehrer an Stadtteilschulen wegen ihrer Gymnasial-Qualifikation ihre Schüler bis in die Oberstufe begleiten können. Zudem habe dieses Lehramt die höchsten Bewerberzahlen.
Das Lehramt für Sonderpädagogik soll in stärkerem Maße die besonderen Herausforderungen durch die Inklusion an allgemeinbildenden Schulen in den Studiengang einbeziehen. Neben dem unverändert angebotenen Lehramt für Berufsschulen wird zusätzlich ein Master-Studium als Quereinstiegs-Studiengang für Mangelfächer wie etwa Elektro- und Metalltechnik gegründet. Alle Lehramtsstudierenden sollen sich im Rahmen ihres Studiums intensiver als bisher mit Themen wie Binnendifferenzierung, Begabungsförderung und Digitalisierung auseinandersetzen.
FDP kritisiert „Einheitsschule durch die Hintertür“
Schul- und Wissenschaftsbehörde haben die Reform der Lehrerbildung gemeinsam erarbeitet. „Wir brauchen das bestmögliche Studium für unsere angehenden Lehrkräfte. Der gemeinsame Vorschlag legt dafür eine zukunftsweisende Grundlage“, sagte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). Die Hochschulen müssten jetzt die veränderten Studiengänge und Lehrinhalte entwickeln. Vom Wintersemester 2019/20 an sollen die Studenten nach den neuen Regeln ausgebildet werden.
Kritik kam von der Opposition. „Warum nun durch Gymnasiallehrer die Stadtteilschulen zu Pseudogymnasien gemacht werden sollen, ist unverständlich“, sagte die CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver, die bezweifelt, dass die Stadtteilschulen stärker angewählt werden, weil dort in Zukunft nur Gymnasiallehrer unterrichten. „Die Einführung des Einheitsschullehrers bringt die Einheitsschule durch die Hintertür“, sagte auch FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein. „Damit legt Rot-Grün die Axt an die Stadtteilschulen.“
Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus kritisiert das eigenständige Grundschullehramt: „Das wird die entscheidende Begleitung der Schüler beim sensiblen Übergang zu den weiterführenden Schulen enorm erschweren.“ Durch die Pflicht der Lehrer, die Fächer Deutsch und Mathematik zu wählen, würden andere Unterrichtsfächer „unangemessen beschnitten“.
Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg sieht „viele dringend notwendige Verbesserungen“ in der Reform. „Insbesondere die Aufhebung der Trennung der Lehrämter für Gymnasien und Stadtteilschulen war mir wichtig“, sagte von Berg. Das entspreche den heutigen Anforderungen, dass alle Lehrkräfte an den Hamburger weiterführenden Schulen für alle Abschlüsse ausgebildet und auf die Inklusion vorbereitet werden.
Für Walter Scheuerl, der als Sprecher der Volksinitiative „Wir wollen lernen“ 2010 die Primarschule zu Fall brachte, ist die Vereinheitlichung der Ausbildung „nur ein plumpes Werkzeug aus der Trickkiste der Einheitsschulanhänger“ und eine „Kampfansage an die Hamburger Gymnasien“.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg