Hamburg. Wenn Helmut Schmidt mit Weitblick über die großen Fragen der Politik sprach, fehlte eines nie: eine qualmende Zigarette. Sie war das Markenzeichen des verstorbenen Altkanzlers. Über eine Million Stück soll Schmidt zu Lebzeiten geraucht haben. Selbst als unzählige Rauchverbote den öffentlichen Raum ergriffen, konnte niemand Schmidt von seinem Laster abbringen. Er qualmte als Einziger ganz offiziell weiter – ob auf SPD-Parteitagen oder in Talkshows.
Auch Walter Scheel wusste natürlich von der besonderen Vorliebe des Altkanzlers. Daher machte der ehemalige Bundespräsident dem Kettenraucher der Republik zu dessen 60. Geburtstag ein ganz besonderes Geschenk: eine goldene Zigarettenschatulle. Der Goldschmied Paul Hartkopf fertigte das Schmuckstück an.
Schatulle nicht lange in seinem Besitz
Schmidt behielt die Schatulle aber nicht lange in seinem Besitz. Der Hanseat verschenkte sie an seine langjährige Mitarbeiterin und spätere Lebensgefährtin Ruth Loah. 15 Monate nach Schmidts Tod verstarb auch seine letzte Liebe im Februar 2017. Aus ihrem Nachlass ging die goldene Zigarettenschatulle über einen Kunstvermittler an das Kunstauktionshaus Schloss Ahlden. Und dort soll das gute Stück nun Anfang September versteigert werden.
Die Schatulle ist mit 750er-Gold verarbeitet und wiegt knapp 800 Gramm. Sie ist 12,5 Zentimeter lang, zehn Zentimeter breit und 3,5 Zentimeter hoch. Vier Amethyste schmücken die Ecken der Goldschatulle. Die violetten Schmucksteine sind erhöht gefasst. Die Begriffe „Einigkeit“, „Recht“ und „Freiheit“ zieren die äußere Hülle. Der Innendeckel ist mit folgender Widmung graviert: „Für Bundeskanzler Helmut Schmidt – Walter Scheel Bundespräsident – Bonn, den 23. Dezember 1978“. Der Wert wird auf über 26.000 Euro geschätzt.
Die Goldschatulle ist mit einem halbrunden Medaillon besetzt. Bei dem Relief handelt es sich um den Bundesadler. Dass das Bundeswappen Deutschlands das Schmuckstück veredelt, hat einen besonderen Grund: Denn Scheel überreichte Schmidt die Schatulle nicht nur als Geburtstagsgeschenk. Schmidt erhielt sie auch stellvertretend für das Bundesverdienstkreuz. Und das ist eine typische Schmidt-Geschichte.
Die höchste Anerkennung, die die Bundesrepublik für Verdienste um das Gemeinwohl ausspricht, wird für besondere Leistungen auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem oder geistigem Gebiet verliehen. Seit der Stiftung durch den ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss im Jahr 1951 wurde der Verdienstorden über 255.000-mal vergeben.
Auch ein Porträt von Schmidt wird angeboten
Auch Schmidt sollte (natürlich) mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden. Jedoch lehnte der ehemalige Senator Hamburgs diese Auszeichnung mehrfach ab. Denn das Tragen von Orden widerspreche dem hanseatischen Brauch. Die Annahme von Ehrenzeichen ist bei Bürgermeistern, Senatoren, Bürgerschaftsabgeordneten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes verpönt. Ganz im Sinne des bürgerlichen Geistes der Verfassung: „Es gibt über dir keinen Herren und unter dir keinen Knecht.“
Die Zigarettenschatulle wird nun am ersten Septemberwochenende versteigert. Bei der Auktion wird auch ein Porträt von Schmidt angeboten. Oskar Kokoschka zeichnete das Kunstwerk, das 41 Jahre alt ist. Der Wert ist auf 14.500 Euro beziffert.
Der expressionistische Künstler porträtierte auch andere Persönlichkeiten der politischen Prominenz Deutschlands. Kokoschka malte unter anderem die Bundeskanzler Ludwig Erhard und Konrad Adenauer.
Besucher brauchen keinen Termin
Schmidt widmete sich der Zeichnung auch in seinem Erinnerungsbuch „Weggefährten“ mit ein paar Zeilen. Dort heißt es: „Im Herbst 1976 (...) habe ich Kokoschka zwei- oder dreimal im Laufe einer Woche in Villeneuve am östlichen Ende des Genfer Sees besucht. Dort kam es zu langen Gesprächen mit ihm und seiner Frau Olda. Während der Gespräche zeichnete er mich – aber die Kraft des damals bereits 90-jährigen Mannes reichte für ein Porträt nicht mehr aus. Mir schien es, als ob die Zeichnungen weniger Ähnlichkeit mit mir, dafür aber mehr Ähnlichkeit mit ihm selbst hatten – so wie er sich in seiner Erinnerung als einen etwas jüngeren Mann selber sah.“
Beide Objekte können bis einschließlich Donnerstag, 31. August, täglich zwischen 14 und 18 Uhr im Schloss Ahlden (südlich von Walsrode) in Augenschein genommen werden. Einen Termin müssen Besucher im Vorfeld nicht vereinbaren. Die goldene Zigarettenschatulle wird am Sonntag gegen 12 Uhr versteigert. Das Porträt kommt am selben Tag gegen 13.15 Uhr unter den Hammer.
„Kunstauktionshaus Schloss Ahlden“, Große Straße 1, 29693 Ahlden,
Tel. 051 64/80 100, www.schloss-ahlden.de
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