Hamburg. Das System funktioniert wie bei den großen Carsharing-Anbietern: Die Smartphone-App zeigt, wo in der Stadt ein freies Fahrzeug steht, der registrierte Nutzer bucht spontan und stellt es nach der Fahrt irgendwo im Geschäftsgebiet wieder ab. Abgerechnet wird nach Minuten oder nach gefahrenen Kilometern oder eine Tagespauschale.
Was mit den Autos etwa von DriveNow und Car2go mittlerweile ein selbstverständlich genutztes Mobilitätsangebot in Hamburg ist, ist jetzt auch wieder mit Motorrollern (Scootern) möglich. Das Berliner Start-up emmy hat vor einigen Tagen 50 Elektro-Scooter in der Stadt stationiert, schon in wenigen Wochen sollen es 200 der bis zu 45 Stundenkilometer schnellen, roten Zweiräder des spanischen Herstellers Torrot sein.
Ein Scooter-Anbieter ging pleite
Hamburg ist nach der Hauptstadt der zweite große Markt für emmy, trotzdem starteten die Berliner heimlich, still und leise an der Elbe. Auf der Internetseite des Start-ups müssen Nutzer derzeit noch ein bisschen suchen, bis sie das Angebot in der Hansestadt überhaupt entdecken. „Wir wollen den Betrieb solide aufbauen, sodass er reibungslos läuft, wenn wir öffentlichkeitswirksam starten“, sagt Valerian Seither, einer der drei emmy-Gründer. Obwohl der Markteintritt in Hamburg als eine Art Geheimsache läuft, hätten sich bereits mehr als 500 Nutzer angemeldet.
Es ist der nächste, der zweite Versuch, ein Scootersharing-System in der Stadt zu etablieren. Der erste wurde gerade erst abgewickelt. Im Frühjahr 2015 hatten die Hamburger Tino Hoffrichter und Jaan Hofmann das Jaano-System mit 50 Benziner-Vespas gestartet. Bis auf Fahrzeugmarke und Antriebsart ähneln sich beide Angebote stark. Wie emmy berechnete Jaano 19 Cent pro gefahrenen Kilometer, das Geschäftsgebiet in der Hamburger Innenstadt war fast identisch, in der Gepäckbox des emmy-Rollers liegen zwei Helme, bei Jaano war das auch so.
Doch die Hamburger kamen offenbar nie richtig in Fahrt. Im Februar verkündeten die Gründer, dass der Betrieb im Laufe dieses Jahres eingestellt wird. Begründung: „Leider hat außer uns und unseren Fans keiner der großen Kapitalgeber oder die Stadt Hamburg an Jaano geglaubt und unsere Idee unterstützt.“ Ein Investment, dass die Firma auf „ökonomisch gesunde Beine“ gestellt hätte, sei leider ausgeblieben. Mittlerweile ist die Jaano-Service- und -Registrierungsstation nahe dem U-Bahnhof Feldstraße geschlossen, im Firmenbüro läuft ein Anrufbeantworter.
Größe der Flotte entscheidend
emmy-Mitgründer Seither kennt das Schicksal der Hamburger Scootersharing-Pioniere. Es macht ihm keine Angst. „Wir haben uns das natürlich genau angeschaut. Entscheidend ist aus unserer Sicht die Größe der Flotte. Das haben wir selbst in der Aufbauphase in Berlin gelernt“, sagt er. Anders ausgedrückt: Ein solches Leihsystem wird erst dann von den Menschen angenommen, wenn ausreichend viele Fahrzeuge im Einsatz sind und die Nutzer zum nächsten freien Roller nicht kilometerweit laufen müssen.
Anders als Jaano hat emmy zudem Geldgeber gefunden. In einer ersten Finanzierungsrunde sammelte das Start-up einen sechsstelligen Betrag von Kapitalgebern ein. In einer zweiten Finanzierungsrunde im März dieses Jahres kam ein siebenstelliger Betrag von Wagniskapital- und Beteiligungsgesellschaften herein – auch aus Hamburg. Genauer will Seither nicht werden.
Bereits in dieser Finanzierungsrunde sei es um die Expansion nach Hamburg gegangen, sagt er. Das entscheidende Kriterium für die Wahl des ersten Expansionsstandorts: „Carsharing ist in Hamburg weit verbreitet. Deshalb glauben wir, dass auch Scootersharing gut funktioniert.“
Hamburg-Managerin Antonia Rams und knapp zehn Teilzeit- und Aushilfskräfte sorgen nun unter anderem dafür, dass die Batterien der Roller rechtzeitig getauscht und mit Ökostrom aufgeladen werden. In Stuttgart und Mannheim betreiben die Berliner zudem in Kooperation mit den örtlichen Stadtwerken kleinere Leihsysteme.
Weitere Standorte geplant
In der Hauptstadt, wo emmy vor zwei Jahren startete, hat das Unternehmen mittlerweile 350 Elektro-Scooter im Einsatz – und seit Sommer 2016 einen starken Konkurrenten. Coup, eine hundertprozentige Tochter des Bosch-Konzerns, startete sein Sharing-Angebot mit 200 Rollern, stockt die Flotte gerade auf 1000 Fahrzeuge auf und wirbt mit Pauschalpreisen für Halbstunden- und Zehnminutenzeiträume, die auf den ersten Blick günstiger sind – für weit verbreitete Kurzfahrten von wenigen Kilometern allerdings nicht. Zudem stellt Coup nur einen Helm bereit. Wer zu zweit unterwegs ist, muss zwei Roller mieten. emmy-Mitgründer Seither sagt denn auch: „Das ist ein ernst zu nehmender Konkurrent, aber wir verfallen nicht in Schockstarre.“
Beide Unternehmen haben weitere Städte fest im Blick. Coup bereitet gerade seinen Start in wenigen Wochen in Paris vor. Das stehe derzeit im Mittelpunkt, sagte eine Unternehmenssprecherin dem Abendblatt. Ob weitere Städte wie etwa Hamburg folgen, werde Schritt für Schritt entschieden. emmy will noch in diesem Jahr in einer weiteren deutschen Großstadt starten. Valerian Seither mag noch nicht preisgeben, in welcher. Aber er widerspricht auch nicht, wenn der Name München fällt.
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