Hightech-Tricksereien

Führerscheinprüfung in Hamburg – Betrug mit Knopf im Ohr

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Daniel Herder

Der TÜV erwischt regelmäßig Hamburger, die verkabelt und mit Minikameras die „Theoretische“ ablegen. Experten sehen hohe Dunkelziffer.

Hamburg.  Fragen huschen über den Monitor: Welche Folgen können beim Bremsen eintreten? Wie verhalten Sie sich bei diesem oder jenem Verkehrszeichen? Mit Dutzenden anderen sitzt der Fahrschüler an seiner theoretischen Führerscheinprüfung, langsam fährt er mit dem Mauszeiger über die Antwortmöglichkeiten. Jeder Klick ist ein Treffer. Jede Antwort sitzt.

Doch es ist nicht der Prüfling selbst, der die richtigen Antworten auswählt, sondern sein Komplize, der irgendwo außerhalb des Prüfungsraumes sitzt. Zugespielt werden sie dem Fahrschüler über einen winzigen, von außen kaum sichtbaren Ohrstecker. Damit der Komplize auch alles sieht, filmt er die Fragen mit einer im Knopfloch verborgenen Kamera ab und überträgt die Bilder in Echtzeit mit dem Handy. Am Ende hat der Fahrschüler dank digitaler Flankenhilfe seine Kreuze überall korrekt gesetzt. Prüfung bestanden. Null Fehler.

Oft kommen die Trickser durch

Es ist ein Szenario, das sich so oder ähnlich bei theoretischen Fahrprüfungen immer wieder abspielt. Nicht nur in Hamburg, wo die Prüfungen an den sechs Standorten von TÜV Hanse abgenommen werden. Überall in Deutschland versuchen sich junge Männer und Frauen mit derartigen Hightech-Tricksereien durch die Theorie zu mogeln – in vielen Fällen dürften sie mit der Masche durchkommen.

„In Hamburg decken wir pro Jahr nur rund zehn bis 15 solcher Täuschungsversuche auf“, sagt der Sprecher von TÜV Hanse, Vincenzo Luca. Zwar sei der Anteil der Hightech-Täuschungen an den bestandenen oder gescheiterten Prüfungen verschwindend gering. In Hamburg absolvieren pro Jahr mehr als 32.000 Schüler „die Theoretische“. „Doch die Dunkelziffer, die Zahl der auf diese Weise erfolgreich absolvierten Prüfungen, kennen wir natürlich nicht“, sagt Luca.

Angeblich werden bis zu 1500 Euro gezahlt

Das Phänomen ist nicht neu: Seit Dezember 2008 wird die Prüfung in Hamburg nicht mehr auf Papierbögen, sondern nur noch am Computer abgelegt, seitdem häufen sich Täuschungsversuche mit Hightech-Equipment. Zusätzlich befeuert wurde und wird die Masche durch die zunehmende Miniaturisierung der dafür erforderlichen Ausrüstung. „Was früher der markierte Bleistift oder die Schablone waren, sind heute das Handy, die Minikamera und der Ohrstecker“, sagt Luca.

Mitunter erreiche die Qualität der Ausrüstung der erwischten Prüflinge „Agentenniveau“. Von den Hintermännern ist jedoch nicht viel bekannt – Ermittlungen werden nur in den seltensten Fällen aufgenommen. Hinter den Tricksereien stecken, so Luca, „sicherlich organisierte Betrüger.“ Die Rede ist von bis zu 1500 Euro für jeden erfolgreich durch die Prüfung geschummelten Fahrschüler.

Investition von rund 60 Euro in Technik

Um die Ausrüstung zu beschaffen, reichen meist ein Besuch in einem gut sortierten Elektronik-Fachgeschäft und eine Investition von rund 60 Euro aus. In Hamburg, so Luca, seien sogar schon Prüflinge aufgeflogen, die das Futter aus ihren Jacken herausgelöst hatten, um dort die Elektronik zu verstecken. Mitunter nutzten sie sogar spezielle Sender, die das Handy-Signal verstärken – falls im Prüfraum schlechter Empfang herrscht.

Die Kollegen seien für diese Art der Täuschung sensibilisiert und geschult worden, sagt Luca. Um die Tricksereien zu unterbinden, könnten Störsender helfen, eine derartige technische Aufrüstung sei jedoch nicht geplant. Luca: „Das ist rechtlich schwierig, Störsender würden ja auch den Umkreis lahmlegen.“

Gründe für Schummeleien sind vielfältig

Die Gründe für die Hightech-Schummeleien sind vielfältig, Sprachschwierigkeiten gehören ebenso dazu wie Prüfungsangst. Und der Druck, der in Hamburg auf den Fahrschülern lastet, ist nicht klein: Von den 32.000 Geprüften sind 2015 fast 35 Prozent in der Theorie durchgefallen. Damit nimmt die Hansestadt nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes im Ranking der 16 Bundesländer den zehnten Platz ein. Noch schlechter sieht es bei der praktischen Prüfung aus: Mit einer Durchfallquote von 40,7 Prozent belegt Hamburg hier den letzten Platz (Stand 2015).

Wer beim Schummeln erwischt wird, muss nicht mit gravierenden Konsequenzen rechnen, zumindest nicht mit strafrechtlichen; Ertappte können nach Ablauf von sechs Wochen die Prüfung wiederholen. Werden jedoch technische Hilfsmittel beim Täuschungsmanöver eingesetzt, informiert die Prüfstelle die Behörde. Und die verhängt in der Regel eine sechsmonatige Sperrfrist und ordnet eine Einzelprüfung an. Den begehrten Führerschein erst Monate später in den Händen zu halten mag für manche aber schon Strafe genug sein.

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