Jan Böhmermann

Schmähgedicht: Landgericht Hamburg verkündet Urteil

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Der türkische Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan (li) und ZDF-Neo-Moderator Jan Böhmermann. Vor dem Hamburger Landgericht wird am Freitag über den künftigen Umgang mit Böhmermanns Gedicht „Schmähkritik“ entscheiden

Der türkische Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan (li) und ZDF-Neo-Moderator Jan Böhmermann. Vor dem Hamburger Landgericht wird am Freitag über den künftigen Umgang mit Böhmermanns Gedicht „Schmähkritik“ entscheiden

Foto: Presidential Press Office/Spata / dpa

Darf Böhmermann seine „Schmähkritik“ am türkischen Präsidenten künftig komplett aufsagen? Oder nie wieder? Entscheidung am Freitag.

Hamburg.  Das Hamburger Landgericht entscheidet am morgigen Freitag über ein mögliches Komplettverbot des sogenannten Schmähgedichts von ZDF-Moderator Jan Böhmermann.

Dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan reicht ein vorläufig errungenes Verbot bestimmter Passagen nicht aus. In dem zivilrechtlichen Streit geht es um die Frage, ob Böhmermann den Präsidenten bewusst beleidigen wollte oder das Gedicht als Kunst anzusehen ist.

Der ZDF-Satiriker hatte unter dem Titel „Schmähkritik“ in seiner Sendung Neo Magazin Royale am 31. März vergangenen Jahres teils wüste Beschimpfungen gegen den Präsidenten vorgetragen und ihm unter anderem Sex mit Tieren unterstellt.

Entscheidung von Gericht völlig offen

Daraufhin hatte das Hamburger Gericht im Mai 2016 eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann erlassen – seitdem darf der Moderator den größeren Teil seines Gedichts nicht wiederholen (Az.: 324 O 255/16). Bestimmte Passagen seien schmähend und ehrverletzend, argumentierte das Landgericht. Übrige Teile setzten sich in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander.

Die Vorsitzende Richterin Simone Käfer ließ später in der Verhandlung am 2. November 2016 nicht erkennen, in welche Richtung die Pressekammer nun tendieren könnte. Damals lieferten sich die Anwälte des ZDF-Moderators und des türkischen Präsidenten ein Wortgefecht um Meinungsfreiheit und Menschenwürde.

„Hier wird nur noch plump beleidigt, unterhalb der Gürtellinie“

Gegen eine Entscheidung ist der weitere Rechtsweg möglich. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz hatte angekündigt, notfalls auch bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.

Der Erdogan-Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger sieht das Gedicht nicht von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt. „Hier wird nur noch plump beleidigt, unterhalb der Gürtellinie“, sagte Sprenger in der Verhandlung. „Der Kläger soll als Prototyp des verlausten Türken gezeigt werden. Das ist schlicht rassistisch.“ Böhmermann habe Artikel 1 des Grundgesetzes schwer verletzt. „Hier wird die Menschenwürde getreten: Die Menschenwürde ist nicht verhandelbar.“

„Gesamtperformance“ des Fernsehbeitrags berücksichtigen

Der Böhmermann-Anwalt verlangte dagegen, die Erdogan-Klage in diesem Zivilprozess abzuweisen. Er forderte, die zeitgeschichtliche Einbettung des Gedichts zu berücksichtigen. Der Kern der Aussage liege nahezu ausschließlich in der Kritik am Umgang des türkischen Präsidenten mit der Meinungsfreiheit, sagte Schertz und verwies auf die damaligen Verhaftungen von Journalisten in der Türkei.

„Wenn sich jemand so geriert, dann muss er sich die schärfste Kritik ever gefallen lassen.“ Böhmermann habe in einer Art juristischem Proseminar in Satire-Form die Grenzen der Kunst- und Meinungsfreiheit in Deutschland aufzeigen wollen, führte Schertz aus. Außerdem müsse die „Gesamtperformance“ des Fernsehbeitrags berücksichtigt werden.

Strafrechtlich ist Böhmermann aus dem Schneider

Strafrechtliche Ermittlungen gegen den TV-Satiriker hatte die Staatsanwaltschaft Mainz im Oktober 2016 eingestellt. Es seien „strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“. Eine Beschwerde Erdogans dagegen wies die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz wenig später zurück.

Diese Ermittlungen waren überhaupt nur möglich geworden, weil die Bundesregierung den Weg für ein Strafverfahren gegen Böhmermann wegen Beleidigung nach Paragraf 103 Strafgesetzbuch freigemacht hatte. Diesen Paragrafen, der die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren stellt, will die Bundesregierung nunmehr abschaffen.

Böhmermann hat von dem Streit profitiert

„Der Gedanke einer ,Majestätsbeleidigung´ stammt aus einer längst vergangenen Epoche, er passt nicht mehr in unser Strafrecht“, teilte Justizminister Heiko Maas (SPD) zu dem Kabinettsbeschluss von Ende Januar 2017 mit. Das Parlament muss noch zustimmen.

Der Popularität des Satirikers haben die Auseinandersetzungen nicht geschadet. Böhmermann gewann jüngst zum zweiten Mal in Folge den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Beste Unterhaltung Late Night“ - mit seinem Format „Neo Magazin Royale“. Und ZDF-Intendant Thomas Bellut hat angekündigt, über die Vertragslaufzeit bis Ende 2017 hinaus mit dem Moderator zusammenarbeiten zu wollen. Böhmermann selbst möchte von ZDFneo aus gern ins ZDF-Hauptprogramm.

( dpa/epd )

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