Hamburg. Die 400 Gäste des 10. Logistik Dinners im Hamburger Rathaus staunten nicht schlecht: Ein knapp 60 Zentimeter großer ferngesteuerter Knirps führte sie durch den Abend, zu dem sich Unternehmen, Verkehrsexperten und Politiker aus der Metropolregion Hamburg alljährlich treffen. Selbst Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) war vom Auftritt des Roboters NAO 03 überrascht worden. Informatikstudenten der Technischen Universität hatten den Techno-Zwerg auf seine Moderatorenrolle vorbereitet und waren mit dem Auftritt ihres Zöglings zufrieden.
Wirtschaftsbehörde lud den Roboter ein
Eigentlich ist NAO 03 Profifußballer. Der kleine Roboter vom Studenten-Team HULKs der Technischen Universität (TU) Hamburg tritt seit einigen Jahren zusammen mit zehn Artgenossen beim RoboCup an, misst sich bei internationalen Wettbewerben in Fünfer-Teams mit anderen maschinellen Kickern. Aber dann kam die Anfrage der Wirtschaftsbehörde, ob der 58 Zentimeter große Roboter den Branchentreff der Logistiker im Großen Saal des Hamburger Rathauses moderieren könne. „Eine solche Einladung kann auch ein Roboter nicht ausschlagen“, sagte Robert Oehlmann, Zweiter Vorsitzender der HULKs.
Drei Stunden lang führte NAO 03 durch das Programm. Er machte den Job tadellos, blieb dabei jedoch etwas blass. Das lag weniger an der weißen Gesichtsfarbe als vielmehr an der Programmierung, die Robert Oehlmann und Pascal Loth dem 9000 Euro teuren Wichtel mitgegeben hatten. Ihm wurde sein Gehör genommen, damit er nicht dauernd auf den Redner oder eine laute Geräuschquelle starrt, sondern sich dem Publikum zuwendet. Auch seine Beweglichkeit war auf einige wenige Gesten reduziert – „wir wollten vermeiden, dass die Gäste statt auf den Vortragenden nur noch auf den Roboter schauen“, sagte Pascal Loth.
Kritik an digitaler Infrastruktur
Schließlich traten hochkarätige Redner ans Pult und lobten den Logistikstandort Hamburg, der einen großen Beitrag daran habe, dass Deutschland Logistikweltmeister sei. Als Herausforderung der Zukunft wurde immer wieder die Digitalisierung genannt – auch NAOs Auftritt war diesem Megatrend geschuldet. „Wir leben im 21. Jahrhundert, die Wirtschaft ist im Wandel und mit ihr die Logistik. Die vierte industrielle Revolution ist in aller Munde: An den Begriffen Digitalisierung und Logistik 4.0 kommt man in keiner Fachdiskussion vorbei“, sagte Susanne Meinecke, Sprecherin der Wirtschaftsbehörde. Digitalisierung sei nicht nur die Einführung elektronischer Dokumente anstelle von Papier, so Meinecke. Es gehe darum, „effizientere und nachhaltigere Lösungen für Logistikprozesse“ zu entwickeln – von der Rohstoffbeschaffung bis zum Recycling eines Erzeugnisses.
Prof. Peer Witten, Vorsitzender der Logistikinitiative Hamburg, die zum Abend eingeladen hatte, sprach über autonomes Fahren und Paket-Roboter, die bereits in drei Hamburger Stadtteilen getestet wurden. Er kritisierte jedoch die mangelnde digitale Infrastruktur für den schnellen Datentransport: „Deutschland ist hier nicht in der Spitzengruppe der Welt. Dort gehört es aber hin.“ Auch Bürgermeister Olaf Scholz sprach über die Digitalisierung der Branche. Hier gebe es ein großes Potenzial für Start-ups, also für junge, innovative Technikbüros. „Dieses Potenzial wird bislang nicht voll genutzt“, so Scholz. Die rasante Entwicklung des Internethandels stelle große Herausforderungen an die Logistiker.
Roboter NAO hörte scheinbar aufmerksam zu
Ein Unternehmen, das diese Herausforderungen offenbar angenommen hat, zeichnete die Logistikinitiative mit dem HanseGlobe 2016 für seine Citylogistik aus: Der Paketzusteller UPS testet seit Dezember 2012 die „schadstoffreduzierte Belieferung der letzten Meile“ und hat das Konzept inzwischen in drei weiteren Städten eingeführt. Gemeint ist, bei der Auslieferung möglichst schadstofffreie Verkehrsmittel zu nutzen. Im inneren Kern der City beliefern die Boten von mobilen Paketdepots aus ihre Kunden auf den letzten ein bis zwei Kilometern per Sackkarre, Lastenfahrrad und Pedelec (E-Fahrrad). Im etwas weiteren Umkreis fahren Elektro-Transporter.
Roboter NAO hörte den Ausführungen der Redner scheinbar aufmerksam zu und wippte dabei ganz leicht von einem Roboterbein aufs andere. Seine Moderatoren-Einsätze bekam er drahtlos von Pascal Loth aus dem Laptop übermittelt – und bewegte dann seine Arme, während er sprach.
Die künstliche Aussprache mit einer kindlichen Stimme sowie das niedliche Körperformat mögen dazu beigetragen haben, dass NAO 03 Mühe hatte, sich Gehör zu verschaffen. Seine Trainer lobten ihren Zögling: „Er hat seinen Job hervorragend gemacht“, sagte Robert Oehlmann. Sollten er oder andere NAO-Roboter vom TU-Team eine weitere Moderation übernehmen, wollen die Informatikstudenten den kleinen Kerl noch ein bisschen mehr von der Leine lassen. Damit er noch munterer agiert, als es NAO 03 im Rathaus tat.
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