Hamburg. In der Woche sammelt sie, am Sonntag kommt die Auswertung. Dann sitzt Luisa Hitzemann am Küchentisch, vor sich Gutscheine, Rabattmarken, Preisnachlässe und Coupons: für Schokolade, Waschpulver, Damenrasierer. „Man muss sortieren, sonst verliert man den Überblick“, sagt die 24-Jährige. Sie entscheidet, was sie brauchen könnte, schneidet oder druckt die Bons aus und macht kleine Stapel. „So richtig spart man, wenn man die Coupons mit Sonderangeboten verbindet“, lautet eins ihrer Prinzipien. Die Hamburgerin ist das, was man Couponerin nennt. Fünf Stunden und mehr investiert Luisa Hitzemann pro Woche in die Suche nach guten Deals.
Coupons und Gutscheine als Form des Sparens sind längst zum Normalfall geworden, täglich sind Millionen Schnäppchenjäger unterwegs. 17 Milliarden Gutscheine haben Markenartikel-Hersteller allein im Lebensmittelhandel im vergangenen Jahr in Deutschland ausgegeben, schätzt die Arcado Group, einer der großen Anbieter von Coupon-Aktionen. „Insgesamt sind es aber noch deutlich mehr“, sagt der Couponing-Fachmann Alexander Süßel, der an der Hochschule Rhein-Main lehrt. Konkrete Zahlen gibt es nicht, weil keine zentrale Erfassungsstelle existiert. Auch seriöse Angaben, wie viele der geldwerten Gutscheine tatsächlich eingelöst werden, lassen sich laut Süßel nicht machen.
Das Problem ist, dass der Bereich sehr unübersichtlich ist. Es gibt Coupons in Flyern oder Magazinen zum Ausschneiden, in Supermärkten bekommt man sie mit dem Kassenbeleg, am Pfandautomaten oder direkt im Regal. Außerdem auf dem Markt sind unzählige Sparangebote und Gutscheincodes auf speziellen Themenseiten im Internet und als Dankeschön bei Onlinebestellungen. „Die Zukunft“, sagt Insider Süßel, „liegt eindeutig im digitalen Bereich.“
Schon seit dem Fall des Rabattgesetzes 2001 ist Couponing auf dem deutschen Markt ein Thema mit Wachstumspotenzial. So bietet etwa der Hamburger Otto-Konzern eine Vielzahl von Rabattvarianten, sagt eine Sprecherin. „Otto nutzt die zeitlich begrenzten Aktionen als Impulsgeber für Neu- und Bestandskunden. Sie sind ein bedeutender Faktor, um Anreize zu setzen und darüber hinaus Kunden auch auf weitere Sortimente aufmerksam zu machen.“ Auch Kosmetik-Hersteller Beiersdorf arbeitet mit Gutschein-Aktionen, etwa über das Programm „Nivea für mich“, das Rabattcoupons zwischen zehn und 15 Prozent beinhaltet.
Dass Marketing-Abteilungen von Herstellern und Händlern immer stärker auf den Einsatz von Gutscheinen und Coupons setzen, belegt eine aktuelle Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München mit der Bonago Incentive Marketing Group. Das Ergebnis des „Gutschein Index 2016“, in dessen Rahmen bundesweit 1000 Firmen gefragt wurden: Die Unternehmen investieren jährlich inzwischen fast 300.000 Euro für Gutschein-Kampagnen. Auch für das laufende Jahr planen sie mit ähnlichen Budgets, ein Viertel der Befragten will demnach die Ausgaben in dem Bereich sogar erhöhen.
Ein Beispiel ist die Hamburger Drogeriekette Iwan Budnikowsky, die gerade in einem Pilotversuch Couponstationen testet, an denen sich die 1,2 Millionen Besitzer einer Kundenkarte sogenannte Sparscheine ausdrucken können. Das Unternehmen setzt auf einen der stärksten Trends in dem Bereich: personalisierte Coupons. Die Automaten, die derzeit in zwölf Filialen stehen, spucken täglich sieben rabattierte Artikel aus, die sofort an der Kasse eingelöst werden können. „Damit“, sagt Budni-Geschäftsführer Christoph Wölke, „können wir digitale Marktstrategien, erstmals für den stationären Vertrieb nutzen.“ Nach anfänglichem Zögern nehmen die Kunden das Sparangebot – teilweise mit Nachlässen von bis zu 30 Prozent – an, heißt es in dem Unternehmen. Zahlen, die das belegen, gibt es allerdings noch nicht. Bis Ende Juni soll entschieden werden, ob alle Filialen mit dem neuen System ausgestattet werden sollen.
Anders als in den USA, wo das Einlösen von Coupons eine Art Volkssport ist und mehr als 300 Milliarden der geldwerten Rabattgutscheine im Umlauf sein sollen, ist „extreme Couponing“ allerdings hierzulande eher selten. Dahinter steckt, nicht zuletzt befeuert durch eine erfolgreiche US-TV-Serie, die Vorstellung, dass sich mit dem Einlösen von Gutscheinen bei guter Organisation einkaufswagenweise Waren für kleines Geld nach Hause schieben lassen und sich so dauerhaft die Haushaltsausgaben reduzieren lassen. Aus Sicht der Verbraucherzentrale Hamburg ist Vorsicht geboten. „Es besteht immer die Gefahr, dass man durch einen Rabattcoupon verlockt wird, bei einem teureren Anbieter zu kaufen, oder etwas mitzunehmen, was man nicht braucht“, sagt Juristin Julia Rehberg.
Nach einer Umfrage der Seite Couponplatz.de Anfang des Jahres werden an deutschen Supermarktkassen Coupons in Deutschland überwiegend von Familien mit Kindern genutzt (50,8 Prozent der befragten Verbraucher). Frauen sind mit knapp 80 Prozent besonders eifrig beim Einlösen von Rabattangeboten. Allerdings ist die Häufigkeit sehr unterschiedlich, zwei Drittel der Nutzer kommen einmal im Monat mit einem Coupon an die Kasse, ein Drittel aber einmal in der Woche.
„Man muss sich einarbeiten“, sagt die Hamburger Schnäppchenjägerin Luisa Hitzemann. Coupon ist nicht gleich Coupon. Die Einlösebedingungen seien unterschiedlich, manchmal gelte nur ein Coupon pro Einkauf, in anderen Fällen sind die Gutscheine nicht mit anderen Aktionen kombinierbar oder nur bis zu einem bestimmten Datum gültig. „Ich versuche, nur zu kaufen, was ich wirklich brauche!“ Trotzdem sammelt sich auch in ihrer Wohnung so manches an. Waschmittel zum Beispiel habe sie für die nächsten zwei Jahre im Schrank, sagt Hitzemann, die auch in Facebook-Gruppen, auf Coupon-Blogs und natürlich auf den einschlägigen Internet-Portalen unterwegs ist.
„Coupons sind in Deutschland nach wie vor ein Entwicklungsmarkt, wenn es um reale Einkäufe an der Kasse geht“, sagt Wolfgang Macht von den Hamburger Netzpiloten, zu dem auch die Schnäppchen-Plattform Sparbon.de gehört. „Im digitalen Bereich läuft es dagegen.“ Ähnlich fällt auch die Marktanalyse von Bosko Todorovic aus, Marketingchef des Berliner Unternehmens MenschDanke mit so bekannten Schnäppchen-Portalen wie Gutscheinpony.de, Schnaeppchenfuchs.de und Dailydeal.de.
Couponportale verdienen durch Provisionen
„In dem Bereich gibt es inzwischen viele Extrem-Nutzer“, sagt Todorovic. Nach Unternehmensangaben liegen die Besuche auf den Seiten Gutscheinpony und Schnäppchenfuchs fast im mittleren einstelligen Millionenbereich pro Monat. Insgesamt wurden mehr als 4,5 Millionen Transaktionen mit einen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro abgewickelt. Geld verdienen diese und andere Portale dadurch, dass sie Provision beim Einlösen der Codes erhalten. Teilweise lassen sich Gutscheine, etwa bei Couponplatz.de, auch ausdrucken und direkt an der Kasse einlösen.
Die Zukunft liegt allerdings im mobilen Bereich. „Besonders die technikaffine Zielgruppe will das Smartphone auch für die Verwaltung von Gutscheinen nutzen“, sagt Couponing-Experte Süßel. Ein Beispiel ist eine App der Drogeriekette Rossmann, die gerade auf den Markt gekommen ist. Darin enthalten sind die aktuellen Gutscheine, die an den Kassen von Handscannern eingelesen werden können. Als nächsten Schritt sieht Alexander Süßel die Weiterentwicklung von Smartphones, sodass Nutzer ihre Gutscheine elektronisch speichern können. „Dann wäre gesichert, dass der Kunde beim Einkauf den richtigen Gutschein dabei hat.“
Auch Couponerin Luisa Hitzemann nutzt Apps, wie Scondoo, Coupies, Groupon oder Angebote einzelner Händler. Auf 70 Prozent Preisnachlass hat sie es in einzelnen Fällen schon gebracht. „Mehr ist nicht drin in Deutschland“, sagt sie und träumt von 100-Prozent-Rabatten wie in den USA. Die meisten Freunde, erzählte sie, schütteln den Kopf. Auch ihr Verlobter versuche sie zurückzuhalten. Nur ihre Schwester macht mit bei der Jagd nach den Prozenten. Und wie viel spart sie nun tatsächlich? Eine Summe kann die Schnäppchenjägerin nicht nennen. „Es ist einfach ein schönes Gefühl, Deals zu finden. Man freut sich an der Kasse, wenn man etwas günstiger bekommt.“
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