Hamburg. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat dem Senat vorgeworfen, in der Siedlungspolitik die falschen Akzente zu setzen und ein eigenes Strategiekonzept beschlossen. Es setzt auf Nachverdichtung nicht nur in der Innenstadt, sondern vor allem in den Stadtteilen mit Einzel- und Doppelhäusern. Hier müssten Geschosswohnungen gebaut werden dürfen, sagte der Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke. Außerdem sieht das Konzept Gespräche und Verträge mit den Umlandgemeinden vor, um gemeinsame Siedlungs- und Landschaftsachsen für den Großraum festzulegen.
„Es macht keinen Sinn, wenn die Umlandgemeinden an der Stadtgrenze die Grünachsen schließen“, sagte Porschke. „Wir müssen das 1919 entstandene und immer noch allgemein akzeptierte Achsenkonzept des früheren Oberbaudirektors Fritz Schumacher über die Stadtgrenzen hinaus verlängern und die Metropolregion gemeinsam planen.“
Isolierte Grüninseln helfen dem Erhalt der Artenvielfalt unverhältnismäßig viel weniger als zusammenhängende Grünräume. Auch die Frischluftzufuhr für die City funktioniert nur, wenn die Achsen aus dem Kern weit in die Peripherie reichen.
Porschke wies darauf hin, dass die Siedlungspolitik nicht gegen die Bevölkerung gemacht werden dürfe. Nach einer Abendblatt-Umfrage von 2013 seien 79 Prozent der Befragten gegen eine weiter wachsende Stadt, und das Naturerleben liege laut der Naturbewusstseinsstudie von 2016 bei den Freizeitinteressen klar vor dem Kino- oder Theaterbesuch. „Das können wir nicht übergehen“, sagte Porschke. Die Stadtnatur müsse „funktionsfähig gehalten“ werden.
„Die Ankündigung der Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt, mehr Wohnungen zu bauen und dafür äußere Stadtgebiete zu erschließen heißt im Klartext: Grüngebiete preiszugeben“, sagte Porschke. „Frau Stapelfeld muss dann auch sagen, wo sie die 150.000 Wohnungen bauen will, die sie für die nächsten 15 Jahre angekündigt hat.“ Bevölkerungsprognosen gehen bis 2035 von jährlich zwischen 2850 bis 5800 Neu-Hamburgern aus. Laut Porschke sei aber zu fragen, warum der Senat das mehrheitlich abgelehnte Konzept der „wachsenden Stadt“ noch zusätzlich befeuere. Die Stadt suggeriere immer wieder eine Art „übergesetzlichen Notstand“, um auf Grünflächen zugreifen zu können.
Zu Lasten der Landwirtschaft, der Grün- und Freiräume wuchsen die Siedlungs- und Verkehrsflächen in Hamburg zwischen 2002 und 2011 um 1.892 Hektar. Das entspricht der gut elffachen Fläche der Außenalster. 1383 Hektar davon wurden versiegelt. Auch die Ansprüche ans Wohnen stiegen: Pro Person von im Schnitt 22 Quadratmeter Wohnfläche 1965 auf fast 39,8 Quadratmeter 2013.
„Der eingeschossige Supermarkt mit großem Parkplatz muss der Vergangenheit angehören, sagte Porschke. „Es liegt doch auch in Interesse des Grundeigentümers, solche Flächen intelligenter zu entwickeln und über den Markt Wohnungen zu setzen.“ Die Stadt solle das baurechtlich ermöglichen und dafür im Zweifel auch Geld in die Hand nehmen. „Bei den hohen städtischen Erlösen aus den Verkäufen von Bauland kann man das durchaus erwarten.“
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