Hamburg/Hannover/Kiel. In den kommenden Tagen werden die Bürger in Norddeutschland die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst kräftig zu spüren bekommen. Ob Kitas und Müllabfuhr in Hamburg, Verkehrsbetriebe in Hannover oder Kliniken in Schleswig-Holstein – in vielen öffentlichen Einrichtungen muss mit Einschränkungen durch Warnstreiks gerechnet werden.
In Hamburg ruft die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di rund 20.000 Beschäftigte aus städtischen Betrieben und der Bundesverwaltung – darunter die Elbkinder-Kitas, die Stadtreinigung, die Hafenbehörde HPA, die öffentlichen Theater, die Bücherhallen und der Zoll – für Freitag, 22. April, zum Warnstreik auf. „Obwohl die Beschäftigten jeden Tag ihr Bestes geben, haben die Arbeitgeber noch nicht einmal ein faires Einstiegsangebot für Verhandlungen vorgelegt. Dies ist nicht nur verantwortungslos, sondern leider auch ein Beleg für die mangelnde Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten“, sagt Berthold Bose, Ver.di-Landesbezirksleiter Hamburg.
Auch Auszubildende sollen mehr Geld bekommen
Die Gewerkschaft fordert sechs Prozent mehr Geld und eine Anhebung der Auszubildendenvergütung um 100 Euro sowie eine verbesserte Übernahmeregelung für Azubis. Die Arbeitgeber haben diese Forderung als überzogen zurückgewiesen und auf Mehrausgaben von 5,6 Milliarden Euro bundesweit verwiesen.
Allein Hamburg würde eine Tarifsteigerung um sechs Prozent rund 60 Millionen Euro im Jahr kosten. Die Arbeitgeber bieten bislang drei Prozent mehr Lohn für zwei Jahre. Am 28. April gehen die Tarifverhandlungen in Potsdam weiter.
Einige Kitas werden wohl geschlossen sein
Hart treffen dürfte der Warnstreik unter anderem die Eltern der 25.000 Kinder, die in den 183 städtischen Elbkinder-Kitas betreut werden. Wie Geschäftsführerin Katja Nienaber dem Abendblatt mitteilte, werden vermutlich „einzelne Kitas gänzlich wegen Streik geschlossen sein“. An diesen Standorten unterstütze man die Eltern, indem ihnen Räume in der Kita für eine Kinderbetreuung in Eigeninitiative bereitgestellt werden.
Andere Kitas würden aus eigener Kraft eine Notbetreuung anbieten. Und bei wieder anderen gehe man davon aus, dass sie uneingeschränkt geöffnet haben werden. In jedem Fall gelte: „Die Geschäftsführung der Elbkinder ist bemüht, die nachteiligen Auswirkungen für Eltern so gering wie möglich zu halten.“
Stadtreinigung will vier Recyclinghöfe öffnen
Die Stadtreinigung Hamburg rechnet sogar damit, dass sie am Freitag und am Sonnabend bestreikt wird. Betroffen wären Kunden, bei denen am Freitag Müllabfuhr wäre, wobei davon nur Bio- und Restmülltonnen betroffen wären, aber nicht Papier- und Wertstofftonnen. „Wir gehen davon aus, dass nicht alle Mitarbeiter am Warnstreik teilnehmen werden, so dass, wenn auch stark eingeschränkt, Müllabfuhr stattfindet“, teilte Sprecher Reinhard Fiedler mit. Genaueres lasse sich erst am Streiktag selbst sagen. Auf jeden Fall würden ausgefallene Leerungen nachgeholt.
Die Stadtreinigung hofft, von ihren zwölf Recyclinghöfen wenigstens vier am Freitag und am Sonnabend öffnen zu können. Wer dort etwas abliefern wolle, solle sich auf jeden Fall kurz vorher über die Öffnung erkundigen. Kunden, die für Freitag eine Sperrmüllabholung bestellt hatten, sollen bereits telefonisch informiert worden sein, dass der Abholtermin nicht eingehalten werden kann.
Auch andere Nord-Länder betroffen
Auch die anderen Nord-Länder werden die Warnstreiks zu spüren bekommen. „Bis zum 28. April wollen wir in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern einen Gang raufschalten“, sagte Ver.di-Nord-Sprecher Frank Schieschefsky, nachdem am Dienstag bereits unter anderem beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg sowie an den Helioskliniken und den Stadtwerken in Schleswig Warnstreiks geplant waren.
Auch in Niedersachsen haben mehrere Gewerkschaften ihre Mitglieder von Donnerstag an zu Warnstreiks im öffentlichen Dienst aufgerufen. Schwerpunkte sollen unter anderem die Stadt und der Kreis Peine sowie Hannover sein. Die Landeshauptstadt trifft die Ankündigung der Warnstreiks mitten in den Vorbereitungen auf den Besuch des US-Präsidenten Barack Obama, der am Montag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Industrieschau Hannover Messe eröffnen wird.
Streik trifft Messe in Hannover
Auch die Messe selbst wird von der Arbeitsniederlegung betroffen sein. Denn am Dienstag, zwei Tage vor der nächsten Verhandlungsrunde in Potsdam, soll sich der Arbeitskampf auf Hannover konzentrieren. Dann werden auch die Verkehrsbetriebe bestreikt. Der Betrieb solle ganz eingestellt werden, teilte das Verkehrsunternehmen Üstra mit – und das mitten in der Messe-Zeit. „Für viele unserer Besucher und Aussteller wird das zum Problem. Da sind Tausende betroffen“, sagte ein Messe-Sprecher.
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