Harburg. Zu deutschen Jugendlichen hatten Mahdi Feizi aus Afghanistan und Tara Iskrova aus Bulgarien bis vor Kurzem kaum Kontakt. Über das Erforschen von Naturkatastrophen, von Hagel und erneuerbaren Energien am Gymnasium Heisenberg in Harburg aber sind sich die Flüchtlingskinder, länger hier lebende Zuwanderer und die deutschen Schüler näher gekommen.
Das Gymnasium arbeitet inklusiv – das ist in Hamburg längst noch keine Selbstverständlichkeit. Schulleiter Rolf Harms würde es nie sagen und damit angeben, aber hamburgweit ist seine Schule Vorreiter bei der Inklusion – und der Integration von Flüchtlingskindern. Die 45 Schüler in den drei sogenannten Internationalen Vorbereitungsklassen (kurz IVK) sind erst seit einigen Monaten in Deutschland. In der Schule lernen sie vor allem Deutsch. Naturwissenschaften spielten eher eine Nebenrolle. Bislang.
„Es wurde sichtbar, dass die Schüler gern auch mal praktisch arbeiten möchten. Die lernen so viel Deutsch und bekommen so viel Input“, sagt IVK-Lehrerin Helene Harder. Also hat die Schule den Lehrplan um Naturwissenschaften und Darstellendes Spiel für die Kinder in den IV-Klassen erweitert. Die naturwissenschaftlichen Phänomene haben aber nicht die Lehrer, sondern andere Schüler Mahdi und Tara im Projekt Nachwuchscampus näher gebracht. In dreitägigen Fortbildungen haben zum Beispiel Kaiyu Xu und Bruno Springer aus der regulären 10. Klasse gelernt, wie man Fünftklässlern und Schülern aus den Internationalen Vorbereitungsklassen Naturwissenschaften erklärt. „Man hat eine hohe Verantwortung. Denn wenn ich etwas falsch mache, lernen meine Mitschüler das auch falsch“, sagt Kaiyu. „Das hat Spaß gemacht und zeigt auch, dass man es selbst verstanden hat.“
Tara lernte im Unterricht zum ersten Mal deutsche Mitschüler kennen
Bruno, Kaiyu und die übrigen 28 Schüler des Nachwuchscampus mussten sich für die Flüchtlingskinder eine besondere Methodik erarbeiten. „Wir haben viel über Gesten und Bilder erklärt, weniger über Texte“, sagt Bruno. „Das war eine Herausforderung.“ Einmal die Woche für 90 Minuten sind die Einwandererkinder und die deutschen Schüler dafür zusammengekommen. Mahdi und Tara haben davon profitiert: „Ich kann jetzt Konversation betreiben und bin das erste Mal mit deutschen Jugendlichen ins Gespräch gekommen“, sagt Tara. In Afghanistan hatte Mahdi kaum naturwissenschaftliche Experimente gemacht, dort läuft das meiste über Frontalunterricht. Lehrerin Helene Harder: „Es war grandios zu sehen, wie glücklich die IVK-Schüler waren, mal aus ihrer Seifenblase herauskommen zu können.“
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