Start-up-Schmiede

Sie sind Hamburgs Geburtshelfer für Unternehmen

| Lesedauer: 7 Minuten
Melanie Wassink
Die Chefs von Hanse Ventures: Alexander Graf zu Eulenburg, Jochen Maaß und Tobias Seikel (v. l.) stehen auf der Dachterrasse des Unternehmens in der HafenCity

Die Chefs von Hanse Ventures: Alexander Graf zu Eulenburg, Jochen Maaß und Tobias Seikel (v. l.) stehen auf der Dachterrasse des Unternehmens in der HafenCity

Foto: dpa

Hanse Ventures hat schon zwölf Firmen in der Stadt an den Start gebracht. Es gibt prominente Geldgeber.

Hamburg. Berlin hat die Samwer-Brüder, Hamburg hat Hanse Ventures. Der Vergleich hinkt, zumindest in Sachen Einfluss, aber die Uridee ist dieselbe. Beide sind die wohl wichtigsten Start-up-Schmieden ihrer Stadt. Die Samwer-Brüder gelten als die Paten des Internets mit Firmen wie Zalando, Jamba oder Groupon. Sie haben Berlin zu der mit Abstand mächtigsten Geburtsstätte hipper Unternehmen gemacht. Hanse Ventures nimmt ebenfalls Gründer an die Hand, steht aber für weniger bekannte Namen. Rebelle, Toptranslation oder Pflege.de sind die Unternehmen, welche die Firma mit Sitz in der HafenCity aus der Taufe hob.

Die Samwer-Brüder werden in den Medien oder von Mitarbeitern schon mal als „Killerhaie“ mit „Ausbeuter­betrieben“ beschimpft. Die Beteiligungen ihrer Gründungsmaschinerie Rocket Internet erreichen inzwischen einen Wert von knapp fünf Milliarden Euro. Dagegen agiert Hanse Ventures noch in kleineren Größenordnungen und arbeitet eher im Hintergrund, beherrscht nicht so häufig die Schlag­zeilen, ob nun negativ oder positiv.

Nach heute fünf Jahren Bestehen ist es für die Hamburger dennoch Zeit, hanseatische Zurückhaltung hin oder her, eine erste Bilanz zu ziehen. „50 Millionen Euro an Investitionsgeld haben wir für Gründer bisher nach Hamburg geholt“, sagt Tobias Seikel, 38, Partner bei Hanse Ventures. Ein Dutzend Firmen ist mit diesem Kapital in Hamburg bisher an den Start gegangen. 250 Arbeitsplätze haben die Unternehmen bis heute insgesamt geschaffen.

Manche Gründer und ihre Teams sitzen Tür an Tür mit den Experten von Hanse Ventures in schicken Räumen mit Blick auf die Elbphilharmonie. Ihre Umsätze sind noch zu gering, um sich eigene Räume zu leisten. „Dafür ist aber der Kontakt auch enger“, sagt Seikel über die Betriebsstarter, die sich bei dem Firmenförderer in der Regel um die Hilfe bewerben. Von mehr als 100 Bewerbungen werden dabei etwa zehn Talente im Jahr ins Programm auf­genommen.

Das Prinzip: Experten im 30-köpfigen Team von Hanse Ventures helfen den jungen Unternehmern, wenn es um den Aufbau des Betriebs geht. Juristen beraten zur Rechtsform, Kaufleute zur Finanzierung, Programmierer bauen das Internetportal, Serviceexperten warnen vor den Fallstricken beim Aufbau eines Callcenters. Im Gegenzug hält Hanse Ventures die Mehrheit der Anteile an den Firmen, bis später bei weiteren Finanzierungsrunden für die Expansion interessierte Geldgeber dazukommen und den Anteil verwässern. Das Ziel: „Wir wollen ein Vielfaches des investierten Geldes wieder herausbekommen“, sagt Seikel. Auf den ersten Blick klingt dieses Modell des Betriebsbrutkastens nach Gier. Gilt auch bei Hanse Ventures, dass Geld verdient werden soll um jeden Preis – wie bei den Samwer-Brüdern?

Allerdings: Genau wie in anderen Disziplinen, wie bei jungen Tennis­talenten, wie bei Buchautoren oder in der Musik – es wird auch in der Wirtschaft nicht jeder ein Star. Im Geschäft der Venturekapitalgeber, also der Firmenfinanzierer gilt in der Regel ein Verhältnis eins zu zehn. Ein Star muss zehn Hoffnungsträger finanzieren. „Bei uns gilt, dass drei von fünf Neugründungen erfolgreich sind“, sagt Seikel. Ein wirklich glücklicher Verkauf eines jungen Internetstars ist Hanse Ventures bisher aber noch nicht gelungen. Die Geschichten von Millionendeals wie bei den Samwer-Gründern gehören für den Hamburger Start-up-Entwickler noch ins Reich der Träume.

Dabei tummeln sich hier Persönlichkeiten, die auf jahrzehntelange Erfahrung in der Wirtschaft zurück­blicken können: Zu den Gründungspartnern bei Hanse Ventures gehört Bernd Kundrun, ehemaliger Vorstandsvorsitzender bei Gruner + Jahr. Zu den Geldgebern zählen der frühere Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski oder der bundesweit bekannte und umtriebige Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer. „Wir springen nicht auf jeden Hype auf, müssen aber auch nicht mit jeder Firma das Rad neu erfinden“, sagt Seikel über das Portfolio.

Es vereinigt Betriebe in etlichen Branchen, immer mit dem Fokus auf Gründungen in den Bereichen Internet und Mobile. Die meisten Geschäfts­modelle basieren auf Provisionszahlungen. Eine Auswahl der Hamburger Firmen von Hanse Ventures:

Hochzeitsplaza positioniert sich als Serviceplattform, die Brautpaare und Hochzeitsgäste mit kostenlosen Dienstleistungen bei der Hochzeits­planung unterstützt. Es geht auf der Internetseite unter hochzeitsplaza.de um Geschenke, Hochzeitsspiele, Deko und auch um Kredite.

Pflege.de ist ein Serviceportal für Pflege und Wohnen im Alter. Das Portal informiert mit gut 60 Mitarbeitern rund um die Themen Pflege und Betreuung. Im vergangenen Jahr hat sich Carsten Maschmeyer über seine Investment­gesellschaft Alstin GmbH mit einem siebenstelligen Betrag an dem Hamburger Unternehmen beteiligt. Vor wenigen Tagen ist auch die Holtzbrinck Digital, die Internet-Beteiligungsholding der Holtzbrinck Publishing Group, bei Pflege.de eingestiegen und erweitert auf diese Weise ihre Aktivitäten im Bereich Digital Health.

KlinikumPlu s ist ein Matching-Portal für Patienten und Ärzte. Es bringt auf Basis von Daten über Ärzte und Kliniken Patienten mit dem passenden Arzt zusammen.

Rebelle bietet Fashion- und Vintage-Liebhabern eine Auswahl an internationalen Luxusmarken. Privatkunden und Betreiber von Secondhandläden können auf der Internetseite von Rebelle ihre gebrauchte Kleidung, aber auch Schuhe und Accessoires von Marken wie Burberry oder Gucci verkaufen. Das Start-up mit gut 50 Beschäftigten hat gerade eine weitere Finanzierungsrunde über einen mittleren siebenstelligen Betrag abgeschlossen, um weiter zu wachsen. Als Neuinvestoren beteiligen sich North-East Venture A/S aus Kopenhagen und die Deutsche Balaton AG aus Heidelberg.

Toptranslation ist eine Agentur für Fachübersetzungen. Über das Internet vernetzt die Zentrale in Hamburg über 3000 muttersprachliche Fachübersetzer und Branchenexperten weltweit. Zu den Kunden gehören Bertelsmann, DHL oder VW.

Talocasa ist eine Informations- und Beratungsplattform für Nutzer, die ihre Immobilie verkaufen möchten. Es bietet unter Talocasa.de Informationen und eine kostenlose Telefonberatung. Zudem werden Makler vermittelt.

Vitraum unterstützt Immobilienbesitzer und Bauherren von der Planungsphase bis zur Montage neuer Fenster und Türen. Die Plattform bietet den Kunden eine kostenlose Erstberatung. Bei der Montage greift Vitraum auf ein Netzwerk lokaler Fachmonteure zurück.

Die Panna Cotta Voucher Group ist ein Netzwerk von Gutscheinportalen in wachstumsstarken eCommerce-Märkten mit Fokus auf Lateinamerika. Das Netzwerk wird von der Panna Cotta PCG GmbH betrieben.

Für die Zukunft der Firmen ist Seikel durchaus optimistisch. Mit den neuen Geldspritzen sind nach seinen Angaben etliche Beteiligungen auf Wachstumskurs: „Wir können bis Ende nächsten Jahres wohl 100 weitere Mitarbeiter einstellen“, hofft er.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg