Eimsbüttel. Es ist eine Premiere für den Weltmeistertrainer, der kaum noch zählen kann, wie viele Pressekonferenzen er im Laufe eines Jahres denn so zu absolvieren hat. Aber eine „Pressekonferenz“, auf der nur Kinder Fragen stellen dürfen, hat Joachim Löw zuvor auch noch nicht erlebt. Doch von Lampenfieber ist beim „Jogi“ nichts zu spüren, als er am Donnerstagnachmittag in der Kita „Troplo-Kids“ der Beiersdorf AG an der Stresemannallee vor rund 40 Kindern sowie einigen Mitarbeitern, darunter auch der Vorstandsvorsitzende Stefan F. Heidenreich, gut 20 Minuten Rede und Antwort steht. Die Kinder sind umso aufgeregter, einige rutschen auf der Sitztribüne hin und her, andere wiederum scheinen sich gar vor lauter Nervosität verstecken zu wollen.
Zuvor hat Löw in der Konzernzentrale noch ein paar geschäftliche Gespräche geführt, schließlich ist der 55-Jährige schon seit 2008 der „Pflegecoach“ des Nivea-Herstellers. Es müssen angenehme Unterredungen gewesen sein, jedenfalls wirkt der Bundestrainer überaus entspannt und redselig, als er sich den Fragen stellt. Diese waren zuvor von den Kindern eingereicht worden.
Die vermeintlich interessantesten Fragen kommen zum Zuge. Moderatorin Anne Kathrin Thüringer (NDR) hat sie auf Karteikarten notiert, gibt aber auch immer den Fünf- bis Zehnjährigen Gelegenheit, selbst ihre Frage zu stellen. Doch manch ein Mädchen oder Jungen verlässt gerade in dieser Sekunde der Mut.
Der sechs Jahre junge Marvin will von Löw wissen, ob er denn in seinem Alter wie er selbst auch schon Fußball gespielt habe. Ja, erzählt der Bundestrainer, da habe er gerade in seinem ersten Verein, dem TuS Schönau, in der F-Jugend angefangen.
Darüber hinaus aber, so berichtet Löw ein paar Minuten später, habe er mit seinem Vater und seinen drei Brüdern sowie den Nachbarskindern ohnehin in jeder freien Minute draußen gekickt. „Die Alternative wäre ja gewesen, meiner Mutter beim Abwaschen zu helfen“, sagt er und hat natürlich die Lacher auf seiner Seite.
Edgar interessiert sich für die Sammelleidenschaft des früheren Stürmers in jungen Jahren und fragt, ob er als Kind auch schon Sammelbildchen eingeklebt habe.
Löw kramt tief in seinen Erinnerungen und berichtet von den Fußball-Münzen, die es Ende der 60er und in den 70er-Jahren an bestimmten Tankstellen als Zugabe für eine Tankfüllung gab. „Darauf waren die Helden meiner Jugend – also Beckenbauer, Müller, Netzer und Overath – zu sehen. Es gab diese Münzen aber auch nur mit deutschen Spielern und nicht mit ausländischen Stars“, erzählt Löw den Kindern aus der Panini-Album-Generation. Auf Löws Gegenfrage an Edgar, wer denn sein Lieblingsspieler sei, kommt nach einigem Zögern ein schüchternes „Schweini“.
Mutiger ist da schon Linus, der Löw auf eine weniger schmeichelhafte Seite seiner Karriere anspricht. „Ich habe mich einmal zu einer Tätlichkeit hinreißen lassen und dafür glatt Rot gesehen“, räumt der frühere Stürmer offen und auch ein bisschen reumütig ein. Er selbst sei halt recht häufig gefoult worden, dabei sei es eben das eine Mal passiert, dass er sich gerächt habe.
Viel schöner sind verständlicherweise die Erinnerungen an den WM-Triumph im vergangenen Sommer in Brasilien. Hatte er womöglich schon vorher gewusst, dass sein Team und er Weltmeister werden würden? „In meinen Gedanken und Träumen habe ich die WM vorher oft durchgespielt und mir auch vorzustellen versucht, wie es ist, den Pokal nach oben zu strecken. Aber es ist schwierig, 100 Prozent daran zu glauben. 2010 und 2012 haben wir ja erlebt, dass man in einem Spiel alles verlieren kann“, sagt er.
Den Triumph aber erlebte er bekanntlich im Juli 2014 mit dem 1:0-Sieg nach Verlängerung im WM-Endspiel gegen Argentinien. „Es ist ein unbegreiflicher Glücksmoment zu erleben, wie die eigenen Spieler beim Abpfiff in die Luft springen und die Leute von der Bank auf einen zustürmen“, sagt Löw. Weil er schon ins Schwärmen geraten ist, macht er bei Okes Frage zum Ziel für die WM 2018 gleich weiter: „Das Gefühl, Weltmeister zu werden, war so schön. Dies ist eine wahnsinnige Motivation. Das wollen wir auf jeden Fall noch einmal erleben. Dazu haben wir nach der Rückkehr ja auch gespürt, was für eine Freude wir den Menschen hier bereitet haben.“
Bevor es noch zu einem kleinen Kick auf dem Kita-Bolzplatz geht, bekommt Löw noch neun Porträt-Bilder, die die Kinder vom ihm gemalt haben. Die Werke sind auf die Deckel von Nivea-Dosen gedruckt, die Löw nach der Übergabe geschickt auf seiner rechten Hand jongliert. Sein Bedarf an der bewährten weißen Creme sollte für dieses Jahr erst einmal gedeckt sein.
Vielleicht aber verschenkt der Bundestrainer das eine oder andere Exemplar an seine Spieler. Auch bei denen hat er einen Sinneswandel festgestellt. „Sie trainieren und schwitzen viel. Deshalb ist ihnen auch die Körperpflege wichtig. Das hat auch damit zu tun, dass sie in der Öffentlichkeit stehen“, sagte Löw. Die Vertreter seines Hamburger Sponsors hören dies gern. Wenn die Herren Nationalspieler noch Fragen zum geeigenten After Shave oder der passenden Body Lotion haben, können sie sich – wie passend – weiter an ihren „Pflegecoach“ wenden.
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