In der schleswig-holsteinischen CDU ist Schluss mit lustig. An diesem Sonnabend räumt Peter Harry Carstensen, 63, ein fröhlicher und volksnaher Friese, den Sessel des Parteivorsitzenden für Fraktionschef Christian von Boetticher, 39, einen ernsten Juristen aus Pinneberg mit einem Faible für die Highsociety in der norddeutschen Tiefebene.

Für Ministerpräsident Carstensen ist es der erste Schritt auf seinem Rückzug aus der Politik. In der Union gilt es als sicher, dass von Boetticher die CDU in die vorgezogene Landtagswahl führen wird und Carstensen vielleicht schon vorher als Regierungschef ablöst. Der Generationswechsel ist für die CDU zugleich ein Kulturschock. Carstensen, der alte König der Küste, und von Boetticher, sein junger Kronprinz aus dem Hamburger Umland, haben außer dem Parteibuch wenig gemein.

Carstensen, in einem Koog auf Nordstrand geboren, ist ein Bauchmensch, erdverbunden, offen und manchmal brutal direkt. Seine Schoten sind Legende, etwa sein Döntje, er könne beim Essen und Tanzen drei Hände gebrauchen. Von Boetticher ist gemessen daran eine Spaßbremse. Der promovierte Jurist, der in Hannover zur Welt kam, in Halstenbek getauft wurde und in Appen-Unterglinde aufwuchs, macht Politik mit dem Kopf, ist distanziert, manchmal unsicher, ein Intellektueller mit elitären Zügen. Wenn der Ehrenritter des Johanniterordens feiert, dann beim Polo auf Sylt mit Schampus.

Politisch funken der alte und der neue Vormann auf verschiedenen Wellen. Carstensen ist der letzte CDU-Spitzenpolitiker aus der Ära des früheren Ministerpräsidenten Uwe Barschel, ein wertkonservativer Pragmatiker. Er sei ein "simpler Bauer", scherzt Carstensen. Von Boetticher gehört zu den Modernisierern in der CDU, ist in Hamburg bestens vernetzt. Er ist Mitglied der Atlantik-Brücke, oft Gast im Übersee- und Anglo-German-Club. In der bodenständigen Nord-CDU macht ihn das suspekt. Der Umlandpolitiker gilt als Küsten-Ole und wird als CDU-Chef deshalb gezielt die konservative Seele der Partei streicheln müssen.

Den Führungswechsel hatte Carstensen vorgeschlagen. Nur Stunden nach dem Neuwahl-Urteil des Landesverfassungsgerichts gab er bekannt, dass er bei den Vorstandswahlen auf dem Parteitag in Neumünster dem Fraktionschef den Vortritt lässt. In der CDU war das erwartet worden, weil Carstensen amtsmüde ist. Statt Beifall auf feuchtfröhlichen Dorfabenden erntet der Regierungschef wegen des schwarz-gelben Sparkurses immer häufiger Pfiffe. Carstensen räumt im kleinen Kreis ein, dass er manchmal am liebsten alles hinwerfen würde, ihm die Zeit für seine junge Frau Sandra fehlt, Hobbys wie die Jagd zu kurz kommen. Der Regierungsstress geht zudem auf die Gesundheit. "Ich bin keiner, der von hier aus direkt auf die Bahre gehen will."

Von Boetticher ist fast 24 Jahre jünger, strotzt vor Elan, will Schleswig-Holstein verändern. So gern der Hoffnungsträger der Nord-Union über Politik redet, so verschlossen ist der Reserveoffizier, wenn es um ihn selbst geht. "Mein Privatleben ist mir heilig." Das schließe seine "Lebensgefährtin" ein. Gemeint ist Hamburgs CDU-Sprecherin Anna Christina Hinze. Ob und wann die Hochzeitsglocken läuten, lässt er offen.

Aus einem anderen Unterschied machen weder König noch Kronprinz ein Geheimnis. Bei Carstensens Karriere war viel Zufall im Spiel, bei von Boettichers viel Kalkül. Der Friese ist schon 24, als sein Bruder ihn für die CDU keilt und zunächst die Beiträge zahlt. In den Bundestag kommt der Oberlandwirtschaftsrat mit 36, weil der bisherige Westküsten-Abgeordnete ihm seinen Wahlkreis anbietet. Von Boetticher steigt mit 16 in die Schüler-Union ein, mit 17 in die Junge Union, mit 18 in die CDU. Mit 24 sitzt er im Pinneberger Kreistag, ist mit 29 im Europäischen Parlament wieder eines der Nesthäkchen.

Erst im Herbst 2004 kreuzen sich die Wege der beiden Politiker. Carstensen, seit zwei Jahren Parteichef, führt die CDU in die Wahl 2005, sucht händeringend nach Kandidaten für sein Schattenkabinett. Der damalige Präsident der Unternehmensverbände Nord, Hans Heinrich Driftmann aus Elmshorn, empfiehlt den Ex-EU-Abgeordneten als Politiker mit Perspektive.

Carstensen macht den klugen Adligen zum Bauernminister. Wer in Schleswig-Holstein den Ton angeben wolle, müsse Land und Leute kennen, erklärt Carstensen später. Von Boetticher übersteht die harten Lehrjahre, wird nach der Wahl 2009 Fraktionschef und arbeitet seitdem an seinem bisher größten Coup. Er will Carstensen aufs Altenteil schicken und Schleswig-Holstein regieren.