Zahl der Verkehrstoten steigt um 46,2 Prozent: 38 Menschen sterben im Straßenverkehr. Der ADAC fordert mehr Kontrollen und Aufklärung

Hamburg. Wenn das Wetter schön ist, steigen viele Hamburger aufs Fahrrad um. Oder sie nehmen das Motorrad. Auf den trockenen Straßen fühlen sich Autofahrer besonders sicher. Und geben mehr Gas. Doch dann kracht es oft und heftig, wie die jüngste Unfallstatistik für Hamburg belegt.

Demzufolge sind auf Hamburgs Straßen im vorigen Jahr 38 Menschen tödlich verunglückt, zwölf mehr als im Vorjahr. Das entspricht einem drastischen Anstieg von 46,2 Prozent. Unter den Bundesländern verzeichnet nur Bremen prozentual einen noch stärkeren Anstieg. Allerdings auf sehr viel niedrigerem Niveau in absoluten Zahlen. Mehr noch: Hamburgs Straßen sind mit 22 tödlich Verunglückten pro eine Million Einwohner sogar deutlich gefährlicher als die in Berlin mit einer Quote von 15 und in Bremen mit 18 Verkehrstoten.

Von den 38 Hamburger Verkehrstoten waren nach Angaben der Polizei elf Radfahrer und zehn Motorradfahrer. Im Jahr davor waren es noch zwei Rad- und acht Motorradfahrer gewesen, die auf den Straßen Hamburgs ums Leben kamen.

Wo liegen die Ursachen für die dramatische Entwicklung in der Hansestadt? „Wir hatten einen sehr milden Start ins neue Jahr. Darum waren mehr Motorradfahrer und Fahrradfahrer als sonst unterwegs“, sagt Hamburgs Polizeisprecher Mirko Streiber.

Auch das Verhalten der Verkehrsteilnehmer hat sich in Hamburg spürbar verändert. Das belegen Studien des ADAC und der sprunghafte Anstieg an Rotlichtverstößen in der jüngsten Zeit. Bei einer Aktion am Dienstag kontrollierte die Polizei an drei Stellen im Hamburger Stadtgebiet und stellte dabei 57 Fälle fest, in denen Radfahrer bei Rot über eine Ampelkreuzung gefahren waren. Erst vor zwei Wochen gab es eine ähnliche Großkontrolle im gesamten Stadtgebiet. Dabei wurden 458 Autofahrer dabei ertappt, wie sie das Rotlicht ignorierten, außerdem elf Fahrradfahrer. Die Polizei erklärte, die Verkehrsteilnehmer hielten sich sehr viel weniger an rote Ampeln und andere Regeln als früher. „Es gibt eine Tendenz, noch schnell bei orange über die Ampel zu fahren“, sagt Polizeidirektor Ulf Schröder, Leiter der Hamburger Verkehrsdirektion.

Das bestätigt der ADAC Hansa: „Wir beobachten seit Jahren mehr Rücksichtslosigkeit und Rüpelhaftigkeit auf Hamburgs Straßen“, sagt Carsten Willms, verkehrspolitischer Sprecher. Zudem wirke sich der Faktor der Wachsenden Stadt aus. „Mehr Einwohner bedeuten auch mehr Verkehrsteilnehmer. Wenn wir uns alle mehr bewegen, passieren auch mehr Unfälle.“

Insgesamt verunglückten im vorigen Jahr 9854 Menschen in Hamburg, eine Zunahme von 4,3 Prozent im Vergleich zu 2013. Um diese Zahl und die Anzahl der Verkehrstoten zu senken, sind aus Sicht des ADAC drei Dinge nötig. „Wir brauchen mehr Aufklärung, mehr Kontrollen und mehr bauliche Maßnahmen im Straßenverkehr“, sagt Willms. Berlin und München hätten es mit wirksamen Aufklärungsprogrammen über Gefahren im Straßenverkehr vorgemacht und stünden nun besser da. Willms: „Solche Programme brauchen wir auch in Hamburg.“ Oftmals helfe aber nur der Griff ins Portemonnaie der Verkehrsteilnehmer. Wo beispielsweise Rotlichtkontrollen vorher angekündigt würden, sinke die Zahl der Verstöße um 90 Prozent, so Willms. Bauliche Verschwenkungen in Tempo-30-Zonen und Ampeln für Radfahrer brächten ebenfalls mehr Sicherheit, seien in Hamburg aber bislang die Ausnahme. Fahrradstreifen seien zu begrüßen, aber nicht überall. „Wir brauchen an Hauptverkehrsadern wie der Amsinckstraße oder am Heidenkampsweg hochbordige klassische Radwege“, sagt Willms.

Dirk Lau, Pressesprecher des ADFC, sieht in der räumlichen Trennung von Rad- und Autofahrern dagegen eine Gefahr. „Sie ist einer der Gründe für Unfälle. Um solche Unglücke zu vermeiden, müssen beide Verkehrsteilnehmer auf die Fahrbahn gelenkt werden, wo sie sich gegenseitig sehen können.“

Für Lau sind die tödlichen Unfälle Folge einer „nicht konsequenten Verkehrspolitik“. „Die Stadt kann nicht einerseits verstärkten Radverkehr unterstützen, andererseits aber nicht dafür sorgen, dass der Autoverkehr abnimmt. Logischerweise kommen sich die Verkehrsteilnehmer in die Quere.“

Die Anzahl der Verkehrsopfer in Hamburg schwankt seit Jahren. Der Langzeittrend geht eher nach unten. 2013 waren in Hamburg 26 Verkehrstote zu beklagen, 2008 waren es 40 und 2001 sogar 56 gewesen. Zum jüngsten Anstieg sagt Streiber: „Wir hoffen, dass es ein Ausreißer ist.“