Zerwürfnis über Mietverträge: Stadt und Bewohner beschließen Planungsstopp

Neustadt. Die ersten Wohnungen sind bezogen. Nach Monaten des Baustellenflairs dringt gedimmtes Licht aus den mit bunter Folie beklebten Fenstern des Kupferdiebehauses an der Caffamacherreihe. Das neue alte Gängeviertel lebt auf. Das „Jupi-Haus“ und die „Fabrique“ werden bald ebenso erwachen. Doch mit dem neuen Leben ist ein Streit zwischen den Aktivisten und der Stadt um den Zugang zum Gängeviertel entbrannt.

Es geht um die Fragen, wer im Gängeviertel wohnen darf und auf welchen Grundlagen das Leben im Gängeviertel fußt. Auslöser der Auseinandersetzung, die am Montag darin gipfelte, dass Vertreter des Gängeviertels und der Bezirk Mitte einen Planungsstopp für weitere Sanierungsarbeiten vereinbarten, sind die Mietverträge, die von der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) an die neuen Mieter ausgegeben wurden.

Zum Ärger der Aktivisten enthalten die Verträge nicht die Verpflichtung, mit dem Einzug auch Anteile an der Gängeviertel-Genossenschaft erwerben zu müssen. „Die Genossenschaft aber und die ihr zur Verfügung stehenden Mittel bilden die Grundlage für die Realisierung der Gängeviertel-Vision“, sagt Michael Ziehl, einer der drei Mitglieder des Gängeviertel-Vereins, die am Montag von ihren Vorstandsposten im Sanierungsbeirat zurückgetreten waren.

Sie sehen in der aktuellen Entwicklung vor allem die mit der Stadt vereinbarte Selbstverwaltung des Künstlerviertels in Gefahr. Grundlage für die jetzt ausgegebenen Mietverträge sei ein Modernisierungsvertrag, den die Steg über die Köpfe der Gängeviertel-Aktivisten hinweg mit der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB) abgeschlossen habe, sagt Michael Ziehl, von Genossenschaftsbindung sei darin keine Rede mehr.

Damit ist ein alter Interessenkonflikt neu entbrannt: Die Aktivisten wollen das Gängeviertel ähnlich einer Wohnungsbaugenossenschaft mit öffentlich gefördertem Wohnungsbau verwalten. Dies ist allerdings laut Stadt schon rechtlich gar nicht möglich. Denn: Der Gängeviertel-Verein könne gar nicht wie eine Wohnungsbaugenossenschaft auftreten, da ihr dafür das Wohnungseigentum fehle, schließlich gehört das Viertel der Stadt. Hinzu kommt: Öffentlich geförderter Wohnraum, wie er im Gängeviertel angeboten werden soll, dürfe nicht mit anderen Bindungen, hier also einer Genossenschaftsbindung, angeboten werden.

Unter der Hand heißt es, die Gängeviertel-Aktivisten wollten mit der Genossenschaftsbindung nicht nur eine finanzielle Basis für die Entwicklung des Viertels legen, sondern auch kontrollieren, wer in die Wohnungen einziehen darf. Christiane Hollander, Mietrechtsanwältin vom Verein „Mieter helfen Mietern“, sieht das differenzierter: „Ich bin davon überzeugt, dass ein Standardmodernisierungsvertrag im Gängeviertel die falsche Wahl ist. Es müssen außergewöhnliche, kreative Lösungen gefunden werden, die Machbares und Wünschenswertes so nah wie möglich zusammenbringen“, sagt Hollander, die auch Mitglied des Sanierungsbeirates Gängeviertel ist. „Es gibt zu viele Vorgaben, die nicht zum Charakter des Gängeviertels passen.“ Wichtig sei, dass die Vertragspartner akzeptierten, dass die Bewohner des Gängeviertels eine sehr enge Verbindung zu ihrem Quartier pflegten.

Laut Bezirk und Vertretern des Gängeviertels sind aktuelle Sanierungen nicht vom Planungsstopp betroffen. „Aber es gibt ernsthafte Fragen zu besprechen“, sagt Mitte-Bezirkschef Andy Grote (SPD). Die sollen nun in Arbeitsgruppen erörtert werden.

Dirk Kienscherf, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, betont: „Alle Beteiligten sollten sich noch einmal an einen Tisch setzen, um eine Lösung zu finden.“ Es gebe Sachzwänge, die man anerkennen müsse: „25 Prozent der gesamten Mittel aus dem Hamburger Förderprogramm zur regionalen Stadtentwicklung stecken allein in diesem Projekt. Mit dem Geld müssen wir verantwortungsvoll umgehen.“ Deshalb werde die Stadt ihr Mitspracherecht wahrnehmen. Kienscherf: „Es gab vielleicht falsche Vorstellungen bei einigen Bewohnern. Es kann nicht sein, dass die Stadt die Kosten trägt, und die Bewohner des Gängeviertels entscheiden, wer einzieht. Das geht, glaube ich, nicht.“ Er sei aber zuversichtlich, dass es gelinge, sich gemeinsam darauf zu verständigen, wer die Wohnungen künftig nutzen darf.

Jörg Hamann, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU, sieht es weniger rosig: „Die Bewohner überspannen den Bogen. Es gibt klare Abmachungen. Ich finde es schlimm, wenn es zum Baustopp kommt. Ich sehe keine Notwendigkeit für erweitertes Mitspracherecht. Die Stadt als Geldgeber muss die Entscheidungshoheit behalten.“