Neustadt. Die Ungeduld ist ihm deutlich anzusehen. Und die unbändige Wut. „Meinen Sie, mich jucken die sechs Jahre“, motzt Anton T. (alle Namen geändert) aufgebracht. Die Zeit im Gefängnis werde er auf der „linken Arschbacke“ absitzen, höhnt der vielfach vorbestrafte 22-Jährige. „Dann gehe ich hier wieder raus. Und dann werdet ihr ja sehen!“

Zunächst aber ist es der junge drahtige Hitzkopf, der „sehen“ muss. Drei Monate lang hat das Landgericht gegen ihn und seinen ein Jahr älteren Komplizen verhandelt, nun steht für die Kammer unzweifelhaft fest: Die beiden Angeklagten haben ein Ehepaar in dessen Haus brutal überfallen und verletzt und Wertgegenstände erpresst.

Sechseinhalb Jahre Haft verhängt die Kammer gegen Anton T. Sein Kumpel Martin G., der zudem bei einer weiteren Tat einen Mann niedergestochen hatte, erhält eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten. Beide Angeklagte haben im Prozess zu den Vorwürfen geschwiegen.

Es war ein Tag im Oktober 2013, an dem die Gier nach Geld die beiden jungen Männer zum Haus eines Ehepaars in Harburg trieb. Und der für die Opfer, die sie sich für den Überfall ausgesucht hatten, einen Wendepunkt in ihrem Leben markierte. Vor allem Anke D. findet seit damals kaum Schlaf und fühlt „sich unentwegt verfolgt“, hat die 50-Jährige als Zeugin im Prozess gesagt. Und ihr Haus ist seitdem weit entfernt davon, ein echtes Zuhause, ein sicheres Nest zu sein. „An jeder Stelle“, so das Opfer weiter, sehe sie sich mit dem Verbrechen konfrontiert, als zwei mit Kapuzenshirts und Tüchern vermummte Männer sie und ihren Ehemann überwältigten. Sie wurde mit einem Messer verletzt, ihr Mann mit solcher Wucht niedergeschlagen, dass er zunächst regungslos liegen blieb und seine Frau für einen Moment die entsetzliche Furcht durchfuhr, er sei tödlich verletzt. Schließlich zwangen die Verbrecher die Opfer in den Keller, wo drei Tresore untergebracht waren. Doch nachdem die Eheleute gesagt hatten, der Schüssel für die Geldschränke befinde sich in einem Schließfach in einer Bank, durchstöberten die Räuber das Haus. Sie erpressten von ihren Opfern Goldschmuck und 700 Euro Bargeld. Dann ergriffen sie die Flucht. Es war Anton T., der nach Überzeugung des Gerichts die Idee zu dem Überfall hatte und in seinem früheren Knastkumpel Martin G. offenbar den geeigneten Partner für sein geplantes Verbrechen sah. Ins Visier der Ermittlungen kam Anton T., der vielfach unter anderem wegen Diebstahls und Körperverletzung vorbestraft ist und zuletzt ein Jahr und neun Monate Jugendstrafe abgesessen hat, weil der 22-Jährige mit dem Sohn der Opfer bekannt war und unter anderem von den Tresoren wusste. Zudem hatten Leute aus seinem Umfeld bei der Polizei ausgesagt, dass er ihnen das Haus gezeigt und verkündet habe, er wolle es überfallen.

Die Ermittler verteilten also in dem Stadtteil, in dem der Verdächtige wohnt, Plakate mit einer Beschreibung des Täters – und warteten ab. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Bei Telefonaten, die von der Polizei überwacht wurden, sagte Anton T. unter anderem: „Wenn die mich irgendwann mal kriegen, habe ich halt Pech gehabt.“ Auch in Chats gab es genug Andeutungen des Verdächtigen, die ihn schließlich überführten. Zudem hatte er in sozialen Netzwerken seinen Kumpel Martin G. belastet, der darüber hinaus auffiel, weil er den erbeuteten Schmuck der Opfer in Pfandhäusern versetzte. Monate nach dem Verbrechen beging der 23-Jährige eine weitere Tat: Er stahl einer Frau eine Handtasche und verletzte bei einem darauf folgenden Handgemenge deren Freund mit einem Messerstich in den Bauch so schwer, dass das Opfer notoperiert werden musste. Kurz darauf wurde Martin G. festgenommen.

Keine Ausbildung, kein Job, keine Lust, auch nur irgendetwas zu arbeiten: Es war diese destruktive Einstellung, die Anton T. und Martin G. offenbar verband. Und ein Leben, durch das sich Straftaten wie ein roter Faden zogen, 13-mal im Vorstrafenregister aufgelistet der eine, zehnmal der andere. Ihre letzte Jugendstrafe hatten beide bis zum letzten Tag im Gefängnis absitzen müssen und schon kurz nach ihrer Entlassung das neue Verbrechen begangen. Nun also die neue Haft, von der Anton T. tönt, er werde sie so richtig locker absitzen. Die Kammer habe „wenig Hoffnung“, dass insbesondere dieser Angeklagte seine Zeit im Gefängnis „sinnvoll nutzen“ werde, sagt der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Es sei aber davon auszugehen, „dass Hamburg mit diesem Urteil für eine gewisse Zeit ein wenig sicherer wird“.

Abendblatt- Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall