Blick auf die Daten der Wählerwanderung: AfD und Liberale profitieren stark von der Schwäche der Union

Hamburg. Wenn die Wahlnacht vorbei ist, blicken die Parteistrategen vor allem darauf, wo sie an wen verloren haben – oder aber, welchem Konkurrenten ein paar Stimmen abgenommen werden konnten. Für den großen Wahlverlierer CDU geht es dabei allerdings nur in eine Richtung, es gab ausschließlich Wählerabwanderungen und zwar in Richtung fast aller anderen Parteien.

Die mit 9000 Wählern größte Gruppe wechselte zur FDP, wie ein Vergleich des Forschungsinstituts Infratest dimap mit der Wahl 2011 zeigt. Ähnlich stark profitierten die regierende SPD und die neu in die Bürgerschaft eingezogene AfD vom Einbruch der CDU: Sie gewannen jeweils 8000 ehemalige CDU-Wähler. Weit mehr als Zweidrittel der Wähler (77 Prozent) gab an, dass man nicht wisse, wofür die Christdemokraten stehen. Selbst bei ihren traditionellen Themen wie der Wirtschaftspolitik und der Inneren Sicherheit ist der Kompetenzzuspruch geringer als bei der regierenden SPD. Verluste musste aber auch die Wahlsiegerin SPD hinnehmen: Der Zuwachs von der CDU konnte die Abwanderung ehemaliger SPD-Wähler zu anderen Parteien nicht ausgleichen. Allein 7000 einstige SPD-Anhänger machten ihre Kreuzchen diesmal bei der AfD und trugen so dazu bei, dass die Sozialdemokraten diesmal auf einen Koalitionspartner angewiesen sind.

Die rechtskonservative „Alternative für Deutschland“ (AfD), die in Hamburg erstmals antrat, mobilisierte zudem 8000 Nichtwähler sowie 9000 Wähler von Parteien, die 2011 nicht ins Parlament gekommen waren. Geringer fiel ihr Zuwachs von FDP (4000), Grünen und Linken (je 1000) aus. Auch die Gründe für die Wahl der AfD wurden ermittelt. Demnach gaben 71 Prozent der Wählerschaft an, aus Enttäuschung über die Politik der anderen Parteien die neue Partei gewählt zu haben. Das war also die typische Haltung von Protestwählern, die in der Vergangenheit auch die Schill-Partei und zuvor die Statt Partei in das Hamburger Parlament gebracht hatten. Nur 26 Prozent gaben an, aus Überzeugung und inhaltlicher Übereinstimmung mit den Zielen der jungen Partei gehandelt zu haben.

Die FDP profitierte am stärksten von ehemaligen CDU-Wählern. Nachdem der Wiedereinzug der Liberalen in die Bürgerschaft lange auf der Kippe gestanden hatte, wechselten 9000 CDU-Wähler zur FDP. Gefragt nach den Gründen wurde häufig der Name Katja Suding genannt. Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten war der Ansicht, dass die FDP in Hamburg ohne ihre Frontfrau keine Chance gehabt hätte. Gerade bei den Jungwählern sind die Liberalen wieder attraktiv, bei den unter 25-Jährigen konnte die FDP ihr Ergebnis von 2011 fast verdoppeln.

Die Altersstruktur der Wähler zeigt ansonsten, dass SPD und CDU ihren größten Rückhalt bei den über 60-Jährigen haben. Linke und Grüne punkten vor allem unter Wählern bis zu diesem Alter. FDP und AfD dagegen haben in nahezu allen Altersgruppen eine annähernd gleich starke Klientel – mit einer Ausnahme: Auch in der FDP ist der Anteil der Wähler über 70 besonders hoch. Bei den Wählern der Linken dominiert die Gruppe der Arbeitslosen, stark sind auch jene für die Linken zur Wahl gegangen, die mit ihrer wirtschaftlichen Situation grundsätzlich unzufrieden sind. Zudem sorgten Arbeiter und Wähler unter 35 Jahre für das Plus von 10.000 Wählern. Jeweils 4000 kamen davon von SPD und von den Grünen, weitere 3000 aus dem Nichtwähler-Lager. 1000 frühere Wähler mussten aber auch an die AfD abgegeben werden, die diesmal stärker das Protestmilieu an sich binden konnte.

Die Zahlen von Infratest dimap wurden auf der Basis von Wählern errechnet, nicht auf der Basis von Stimmen. Einzelne Wähler wurden der Partei zugeordnet, der sie alle oder die meisten der fünf Landesstimmen gegeben haben. Wer also bei der vorangegangen Wahl überwiegend der CDU die Stimmen gab, dieses Mal aber den Liberalen, wird somit in den Zahlen als kompletter Wechselwähler gewertet.