Institute haben Probleme mit dem Hamburger Wahlrecht – und unterschiedliche Methoden dafür

Hamburg. Der Anruf kam nicht sonderlich überraschend – die Frage dann schon. Das Umfrageinstitut infratest dimap wollte dieser Tage am Telefon von mir wissen, „welche Partei“ ich am Sonntag bei der Bürgerschaftswahl wählen würde. Meine Gegenfrage: „Wie meinen Sie das? Wir haben hier insgesamt zehn Stimmen. Auf der Landesliste kann ich Kandidaten von fünf unterschiedlichen Parteien wählen. Und fünf im Wahlkreis.“ Interviewerin: „Echt? Hmm. Wen würden Sie denn wählen, wenn es nur eine Stimme gäbe?“

Offenbar hatte die für eine NDR-Umfrage über eine Münchner Nummer anrufende infratest-Mitarbeiterin noch nichts vom Hamburger Wahlrecht gehört. Wir kamen dann zwar doch irgendwie miteinander zurande. Aber das Ganze machte noch einmal klar, wie schwierig die Lage für die Demoskopen ist – und wie unsicher das Wahlrecht die aktuellen Wahlprognosen für den Sonntag machen könnte.

Auf Nachfrage entschuldigte sich infratest dimap am Freitag. Die Interviewerin habe einen Fehler gemacht, so Pressesprecherin Irina Roth. Laut Fragebogen hätte sie fragen müssen: „Welcher Partei würden Sie alle oder die meisten Stimmen geben?“ Auch das erlaubt zwar keine exakte Auswertung, allerdings hätten bei der Bürgerschaftswahl 2011 nur 14 Prozent der Wähler ihre fünf Stimmen auf der für die Sitzverteilung entscheidenden Landesliste auf unterschiedliche Parteien verteilt. „Zudem fühlen sich Befragte schnell überfordert, wenn sie uns im Vorfeld der Wahl so detailliert Auskunft geben sollen“, sagt Roth. „Das Hamburger Wahlrecht stellt uns Wahlforscher vor neue Herausforderungen.“

Eine Abfrage aller Stimmen stifte nur Verwirrung, sagte auch Uwe Stüve, Geschäftsführer des Instituts Gess. Daher sei es in der Demoskopie „allgemein üblich“ nach der Partei zu fragen, die gewählt würde. Die Details des Wahlrechts würden sich in der Gesamtmenge schließlich wieder „nivellieren“.

Die für das ZDF tätige Forschungsgruppe Wahlen dagegen fragt bei Umfragen nach eigenen Angaben detailliert nach den fünf Stimmen der Landesliste – lässt aber die der Wahlkreise weg, weil diese keinen Einfluss auf die Parteienergebnisse haben. Bei der Forschungsgruppe werde aus jeder Landeslistenstimme ein Datensatz, so Vorstand Matthias Jung. Natürlich sei das Wahlrecht eine Herausforderung – es gebe aber auch andere Probleme, etwa die wohl niedrige Wahlbeteiligung. Auch diese erschwere die Vorhersagen.

Die Umfragen vor der Wahl 2011 waren tatsächlich nicht sonderlich genau. CDU und Grüne wurden von den Instituten durchweg zu stark eingeschätzt, SPD und FDP zu schwach. Die Abweichungen zum Wahlergebnis lagen meist um die drei, aber auch bis zu satten fünf Prozentpunkten. Das heißt für die Bürgerschaftswahl vor allem eines: Es bleibt spannend bis zur Auszählung – allen Umfragen zum Trotz.