Letzte Sitzung der Bürgerschaft vor der Wahl: Opposition greift Senat wegen angeblicher neuer Schulden an. Der verweist auf „echten Überschuss“

Altstadt. Von wegen versöhnlicher Ausklang: In der letzten Sitzung der Bürgerschaft vor der Wahl am 15.Februar hat die Opposition am Mittwoch noch einmal schwere Geschütze gegen den SPD-Senat aufgefahren. Nachdem die allein regierenden Sozialdemokraten mit der guten finanziellen Lage der Stadt, die 2014 erstmals seit Jahrzehnten einen Überschuss von vermutlich gut 420 Millionen Euro erzielte, Werbung in eigener Sache machen wollte, holte CDU-Haushaltsexperte Roland Heintze zum Gegenschlag aus.

Nur der Kernhaushalt der Stadt sei ohne Neuverschuldung ausgekommen. Rechne man jedoch alle städtischen Firmen und Sondervermögen wie Schulbau Hamburg hinzu, sei die Verschuldung der Stadt allein bis Ende September um rund 600 Millionen Euro gewachsen. Das gehe aus Daten des Statistischen Bundesamts hervor. „Was nützt uns die Schuldenbremse, wenn die SPD an anderer Stelle einfach weiter macht“, wetterte Heintze. „Das ist bewusste Wählertäuschung.“

Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) wies die Attacke eher allgemein als „merkwürdig“ zurück: „Je besser die Entwicklung der Haushaltszahlen, desto heftiger die Reaktionen der Opposition.“ Zu Heintze sagte er: „Ihre Zahlen sind alle falsch. Richtig ist, dass Hamburg zum ersten Mal seit Jahrzehnten einen echten Überschuss hat.“

Zwar sei dieser auch auf glückliche Umstände wie hohe Einnahmen und niedrige Zinsen zurückzuführen, dennoch stecke auch eine politische Leistung wie die strikte Begrenzung der Ausgaben dahinter: „Hamburg hatte in den vergangenen 32Jahren 21-mal Rekord-Steuereinnahmen, aber einen Überschuss gab es nie“, sagte Tschentscher. Außerdem würden andere Bundesländer bei vergleichbaren Rahmenbedingungen schlechter dastehen.

Der Überschuss sei ein „großartiger Erfolg einer langfristig angelegten Politik“, lobte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Arbeit seines Senats und fasste es mit dem schlichten Satz zusammen: „Die Sozis können mit Geld umgehen.“ Ebenso wie SPD-Fraktionschef Andreas Dressel strich er den Unterschied zur schwarz-grünen Vorgängerregierung heraus, die zwischen „Diät und zu viel essen“, also zwischen hohen Ausgaben und Sparprogrammen, hin und her geschlingert sei. Für ihn gelte hingegen: „Die Grundlage von allem ist Seriosität.“ Etwas „Besonderes“ sei auch, dass die SPD noch vor der Wahl den Doppelhaushalt 2015/2016 verabschiedet habe. Andere Senate hätten das nicht geschafft.

Das brachte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan auf die Palme. „Billigstes und unterstes Niveau“ sei der Scholz-Vorwurf. Schwarz-Grün habe 2010 keinen Haushalt mehr verabschieden können, weil die Grünen die Koalition verlassen hätten. Dass eine Alleinregierung fristgerecht einen Etat zustande bringt, sei ja wohl selbstverständlich. Im Übrigen sei es „Dreistigkeit“ und „Arroganz der Macht“, dass der Senat sich für Haushaltszahlen feiere, die er noch gar nicht veröffentlicht habe.

Diese giftige Atmosphäre zog sich durch die gesamte, fast zweistündige Debatte, wobei sich erneut vor allem die potenziellen Koalitionspartner SPD und Grüne beharkten. Doch auch die CDU, die in Umfragen zuletzt bei deprimierenden 20 Prozent lag, suchte ihr Glück in der Offensive. Eine „selbstgefällige Märchenstunde“ hielt CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich dem Senat vor, und Finanzexperte Heintze forderte, die SPD solle „aufhören, Blödsinn zu erzählen“. In Wahrheit seien seit 2010 die Ausgaben um 5,5 Prozent und die Schulden um 726 Millionen Euro gestiegen. „Sie haben nicht sparsam gewirtschaftet, aber dank der hohen Steuereinnahmen fiel es nicht auf.“

Auch FDP-Fraktionschefin Katja Suding warf dem Senat vor, dass die Überschüsse nicht seiner Leistung entspringen: „Die Stadt steht nicht so gut da wegen, sondern trotz der SPD-Politik.“ Der Senat riskiere sogar einen Verfassungsbruch, wenn er bei einem Konjunktureinbruch die Schuldenbremse nicht einhalten könne. Norbert Hackbusch, Finanzexperte der Linkspartei, lenkte den Blick weg von den Zahlen: „Was nützt uns ein ausgeglichener Haushalt, wenn wir eine marode Infrastruktur hinterlassen?“ Entscheidend sei doch, wie es den Menschen in der Stadt gehe. Die Behauptung der SPD, Hamburg gehe es gut, teile er nicht: „Das ist nicht so.“

Trotz der verbalen Keilerei gab es auch versöhnliche Momente. Als sich Klaus-Peter Hesse (CDU) nach 18Jahren aus der Bürgerschaft verabschiedete, klatschten sogar SPD-Abgeordnete. Hesses Antrag auf einen parteiübergreifenden „Verkehrsfrieden“ überwiesen sie immerhin in den Verkehrsausschuss. Ablehnen kann man ihn ja auch noch nach der Wahl.