Hamburger Olympiastarter erinnern sich: Weitspringer Nils Winter über seinen langen Anlauf bis zu den Spielen 2004 in Athen

Ich wurde vor vielen Jahren einmal gefragt, wofür ich denn überhaupt trainiere. Meine Antwort lautete: „Um mal bei Olympischen Spielen dabei sein zu können.“ Damals war ich zwölf – und Olympia ein scheinbar auf ewig unerfüllter Traum. 14 Jahre später war jener „peinliche“ Satz jedoch meine größte Motivation. Nach langer Zeit im sportlichen Mittelmaß habe ich 2003 mit einem Sprung auf 8,11 Meter zunächst das Tor zur Weltspitze aufgestoßen, bin zudem im gleichen Jahr Deutscher Meister geworden. Plötzlich war Olympia nicht mehr nur Traum, sondern realistisches Ziel. Ein Ziel, welches ich unbedingt erreichen wollte. Während meiner gesamten Vorbereitungszeit musste ich immer wieder an diese eine Aussage von damals denken. „Du musst das jetzt schaffen“, habe ich mir stets im Training eingeredet. Die Motivation war riesig.

Als ich dann schon relativ früh in der Saison 8,17 Meter sprang, rückten die Spiele in Athen in greifbare Nähe. Da die A-Norm, die sicher zur Teilnahme berechtigt, jedoch bei 8,19 Metern lag, musste ich noch einige Zeit zittern. Mit der von mir erreichten B-Norm darf nur ein Teilnehmer pro Nation starten. So erfuhr ich erst fünf Wochen vor Beginn der Spiele, dass ich dabei bin. Das war eine riesige Genugtuung, hatte sich das jahrelange harte Training doch endlich ausgezahlt. Die Eröffnungsfeier sowie einen Großteil der Wettkämpfe habe ich jedoch noch vor dem heimischen TV verfolgt. Da ich erst in der zweiten Woche an der Reihe war, bin ich mit entsprechender Verzögerung nach Athen geflogen.

Dennoch habe ich das olympische Flair genießen können. Von den Anfeuerungsrufen deutscher Fans beim Einlauf ins Olympiastadion über die euphorischen Menschenmassen in der Stadt bis hin zum Leben im olympischen Dorf. Insbesondere die Atmosphäre innerhalb des Dorfes hat mich fasziniert. Hier gingen rund 16.000 Menschen so miteinander um, als würden sie alle aus nur einem Land stammen. Jede Nation, jeder Einzelne war gleich. Da gab es keine Unterschiede. So steht man etwa mit seinem Trainingsanzug in der Essensschlange der Mensa, vor einem ein Kolumbianer, hinter einem ein Athlet aus Palästina und dahinter jemand aus dem Oman. Dass es Fremdenhass gibt, ist während dieser Zeit unvorstellbar. Folglich haben sich auch Freundschaften entwickelt.

Über mein sportliches Abschneiden hingegen war ich zunächst schon enttäuscht. Nach drei Qualifikationssprüngen standen nur 7,51 Meter auf der Anzeigetafel – das Finale fand ohne mich statt. Vielleicht hatte ich zu viel Respekt vor dem Wettkampf. Überhaupt kamen mir die Spiele total unwirklich vor, war ich doch jahrelang weit von der Weltspitze entfernt. 2003 knackt man dann zum ersten Mal die Acht-Meter-Marke und ist nur ein Jahr später schon dabei. Mit zehneinhalb Jahren Abstand betrachte ich jedoch allein die Teilnahme schon als Riesenerfolg. Spiele in Hamburg wären großartig. Das Konzept ist überzeugend. Der bisherige Gigantismus ist die richtige Schraube, an der es zu drehen gilt.