Hmaburg. In knapp zwei Wochen ist es so weit: Mehr als 1,3 Millionen Hamburger haben die Möglichkeit, über die politische Machtverteilung unserer Stadt mitzubestimmen und eine neue Bürgerschaft zu wählen. Erstmals dürfen schon die 16- und 17-Jährigen einem der insgesamt 887 Kandidaten ihre Stimme geben. Welche Parteien und Personen zur Wahl stehen, können wir täglich auf tausend und abertausend Plakaten in unserer Stadt sehen. Wahlplakate waren und sind noch immer das häufigste und teuerste Werbemittel bei Wahlen. Aktuellen Schätzungen zufolge geben Parteien mehr als zwei Drittel ihres Wahletats für das Plakatieren von Bäumen und Laternen, Verkehrsinseln und Häuserwänden in unserer Stadt aus.

Die inhaltliche Aussagekraft von Plakaten halte ich persönlich (freundlich ausgedrückt) für begrenzt. Unterscheidungsmerkmale kann ich fast nur bei extremen Ansichten feststellen, ansonsten geht es bei allen Slogans im Wesentlichen um Kita-Plätze, Bildung, Wohnungsbau, Infrastruktur, Wirtschaftskraft, Nachhaltigkeit, Flüchtlingshilfe oder die Vermeidung von Armut. Dabei ist es nicht so, dass die Parteien bei diesen Themen eine grundsätzlich gegensätzliche Meinung vertreten würden, nein, sie alle sind u.a. für einen Ausbau von Kita-Plätzen, für bessere Bildung und bezahlbaren Wohnraum. Daher kommt es mir so vor, als wenn es bei diesem Wahlkampf nicht mehr um die Darstellung unterschiedlicher Positionen geht, sondern nur noch darum, zu behaupten, die zukünftigen Herausforderungen besser bewältigen zu können als der politische Gegner.

Die zweite große Auffälligkeit ist für mich die Personalisierung des Wahlkampfes, die zugegebenermaßen jedoch nicht neu ist. Wir sehen bekannte und weniger bekannte Gesichter, mal freundlich lächelnd, mal besorgt blickend vor Hamburger Wahrzeichen oder inmitten von Mitbürgern. Auch hier ist die Ähnlichkeit verblüffend, wenn wir einmal von einer fehlenden Kopfhälfte absehen. Würden nicht noch die Logos der Parteien auftauchen, wäre eine Unterscheidung kaum möglich.

Wie aber soll der Bürger bei all diesem Einerlei eine Wahlentscheidung treffen? Natürlich können Parteiprogramme und -positionen nachgelesen werden, aber das machen ehrlicherweise nur noch die wenigsten. Eine Möglichkeit sich mit den Sichtweisen der jeweiligen Kandidaten auseinanderzusetzen ist die Internetseite abgeordnetenwatch.de, auf der jeder Bürger seine Fragen an die Bürgerschaftskandidaten stellen kann. Jedoch machten hiervon bis zum Wochenende lediglich 0,0002 Prozent der Wahlberechtigten Gebrauch – nur 357-mal wurde ein Politiker um seine Antwort zu einem bestimmten Thema gebeten. Eine andere Alternative wäre Wahl-O-Mat.de. Anhand von 38 Fragen ermittelt man auf der Website seine Parteipräferenz. Um hier überhaupt Unterschiede zwischen den Parteien deutlich werden zu lassen, wurden auch Fragen aufgenommen wie, ob es Fahrradfahrern trotz der vorhandenen Radwege erlaubt sein sollte, auf der Straße zu fahren, ob die Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg wie bisher von der Stadt finanziell gefördert werden sollten oder ob das Sammeln weggeworfener Lebensmittel aus Müllcontainern von Supermärkten strafbar bleiben soll. Auch wenn diese Themen im Einzelfall zweifellos sehr wichtig sind, halte ich sie bei der Frage, wie und vom wem unsere Stadt regiert werden sollte, nur für begrenzt entscheidend.

Zukunftsprognose: Im Vergleich zu den vorherigen Wahlen verringerte sich die Wahlbeteiligung von 71 Prozent (2001) über 69 Prozent (2004) und 64 Prozent (2008) auf zuletzt 57 Prozent (2011). Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird am 15. Februar nur noch gut die Hälfte der Hamburger an die Wahlurne treten. Diese Entwicklung halte ich für besorgniserregend!

Um ihr entgegenzuwirken, sind mehr Transparenz, unterschiedliche Dialogformen, mehr ehrliche Botschaften und vor allem konkrete Umsetzungspläne notwendig. Viele Bürger sind dabei durchaus offen für unbequeme Wahrheiten und klare Positionen. Sie sind dazu bereit, Reformen mitzutragen und einen eigenen Beitrag zu leisten – sofern die Perspektive stimmt. Aber auch wir Bürger sind gefordert uns selbst zu informieren, unsere Bedürfnisse zu artikulieren und uns nicht nur passiv damit abzufinden, dass Politiker und Parteien immer austauschbarer werden.

PS: Der Erfolg von Wahlplakaten ist übrigens recht gering. Gerade einmal zwei Prozent der Bevölkerung geben an, sich von Wahlplakaten beeinflussen zu lassen – 15-mal mehr von guten Konzepten und Programmen.