Hamburger Olympiastarter erinnern sich Hockeytrainer Markus Weise gewann mit Damen (2004) und Herren (2008/2012) Gold

Ich habe kein persönliches Ranking der drei Olympiasiege. Das Ergebnis war zwar immer das gleiche, aber die Geschichten dahinter sind sehr unterschiedlich. Doch immer gab es im Turnier eine Schlüsselsituation, die für mich entscheidend für den Erfolg war.

Die erste Goldmedaille mit den Damen 2004 in Athen war eine völlige Überraschung. Es schien unmöglich, dass ausgerechnet wir die beste Mannschaft, die Niederlande, schlagen – aber es hat halt geklappt. Die Ausgangssituation bei den Herren war völlig anders. Wir sind immer im Favoritenkreis gewesen und wollten Gold holen. Die Goldmedaille in Peking 2008 war dann für mich als Trainer eine Bestätigung der ersten, und wenn man dann wie in London die Bestätigung noch einmal bestätigt, ist das auch nicht schlecht.

Bei den Damen 2004, meinen ersten Spielen als Cheftrainer, war die 0:3-Niederlage im Gruppenspiel gegen Südafrika sehr deprimierend. Wir waren praktisch ausgeschieden. Das war für mich ein sehr kritischer Moment. Ich bin danach zum ersten und einzigen Mal allein zum Trainingsplatz der Leichtathleten gegangen und habe denen zugeschaut. Das hat mir sehr geholfen, aus dieser depressiven Stimmung herauszukommen und die Situation richtig einzuordnen. Danach konnte ich mich wieder aufraffen, weiter mein Turnier zu machen. Es war wichtig, um wieder in die richtige Bahn zu kommen.

In Peking hatten wir in den ersten drei Spielen nur einmal gewonnen und zweimal unentschieden gespielt. Wir waren dadurch in der Zwangssituation, dass wir danach jedes Spiel gewinnen mussten. Wir haben nach dem dritten Spiel eine andere Videobesprechung als sonst gemacht. Ich habe keine taktischen Spielszenen gezeigt, sondern wir haben uns etwa 50 sogenannte „Pinguin-Szenen“ angeschaut. Das sind Szenen, in denen die Spieler sich bei laufendem Spiel vor die Schiedsrichter gestellt und mit den „Flügeln“ gewedelt haben. Ich habe ihnen die Frage gestellt, ob ich ihnen weiter Pinguin-Szenen zeigen soll oder ob sie lieber gutes Hockey sehen wollen. Ich habe ihnen dann gesagt, sie sollen mal in die Tiefgarage gehen und überlegen, was sie mit dem Rest des Turniers machen wollen. Damit haben sich die Jungs wohl sehr offen und ehrlich auseinandergesetzt. Von da an hatten wir eine andere Mannschaft im Turnier – die dann ja auch jedes Spiel gewonnen hat. Das war der absolute Schlüsselmoment in Peking.

Die Mannschaft in London war von der Fokussierung und Konzentrationsfähigkeit auf einem etwas höheren Niveau als vier Jahre zuvor. Doch auch in London gab es einen Krisenmoment. Wir hatten die ersten drei Spiele gewonnen, aber ich habe sie am Video sehr kritisch besprochen. Das hat mir die Mannschaft speziell nach dem 5:2 gegen Indien zu Recht übel genommen. Mannschaftskapitän Max Müller kam zu mir und hat gesagt, ich müsse etwas ändern. Mir ist dann erst klar geworden, was passiert war. Ich habe dann meine Coaching-Fehlleistung offenbart und versucht zu erklären, was in meinem Kopf rumgegangen ist. Nämlich, dass die Leistung aus den ersten Spielen nicht reichen wird, um Gold zu holen.

Vor dem letzten Gruppenspiel gegen Neuseeland hatten wir die Halbfinalteilnahme schon sicher und lagen 2:5 hinten. Aber die Jungs wollten trotzdem unbedingt ein Ergebnis. Das Spiel ist noch 5:5 ausgegangen. Das war das Schlüsselerlebnis, um wieder in die richtige Dynamik reinzukommen. Für das Innenleben der Mannschaft hat es einen großen Unterschied gemacht. Die Jungs haben gesehen: Wenn wir was wollen, dann erreichen wir das auch. Das war ein gutes Signal.