Der Hamburger Schauspieler Jan Fedder wird heute 60 Jahre alt. Aber der Einzige, den das nicht so richtig interessiert, ist er selbst. Ein Porträt.

Da isser einfach so abgetaucht, gerade noch rechtzeitig vorm Jubeltag heute. Seinem Sechzigsten. Abgetaucht wie Jan Hinrichs, der „Mann im Strom“, den er in der Neuverfilmung der lenzschen Erzählung so fein gespielt hat. Nee, Kuddel Fedder hat mal wieder definitiv keine Möge, sich den Objektiven der Fotografen auszusetzen, die er gern als „Randexistenzen“ bezeichnet. Will auch nicht über sein Alter befragt werden, seine Rollen, seine Macken, seinen runden – 60. – Geburtstag und die Zipperlein, die ihn plagen. „Ich würde mich nicht mal selbst in meine Talkshow einladen“, sagt er. Und schon gar nicht über den fiesen Spacken reden. Den Krebs in seinem Rachen, den er inzwischen hoffentlich endgültig vom Hof gejagt hat. Den er verdrängt. Er sei ein großer Verdränger, sagt er. So wie die Schiffe im Hamburger Hafen. Fedder stellt sich manchmal vor, er sei die „Cap San Diego“.

Also konnte ihn auch niemand zum Besuch der Preview seines zweiten Spielfilms in der Reihe „Der Hafenpastor“ überreden. Es ist eine Rolle, von der er sagt, sie sei eine seiner schönsten überhaupt. „Die Filme spielen inmitten von St. Pauli, meinem Viertel, und die Geschichten, die wir erzählen, sind in der Gemeinde wirklich passiert. Sie sind echt, und das spürt der Zuschauer“, wird Fedder im NDR-Programmheft zitiert. Da Fedder, der nie ein großes Gewese darum macht, dass er glaubt, so häufig wie möglich betet, ist es wieder eine dieser Rollen, die „wie Arsch auf Eimer passen“. Auch so ein Lieblingsspruch von ihm.

Echt. Authentisch. Lebensnah. So sollten alle Film- und Serienstoffe sein, so will Fedder sie am liebsten haben, damit er, der „Bogart des Brackwassers“ („Stern“), zur Höchstform auflaufen kann. Vor allem, wenn er als Dirk Matthies – ein plietscher Hamburger Streifenbulle (und Raubein und Kodderschnauze und Kotzbrocken – aber immer mit Empathie!) – im „Großstadtrevier“ für Recht und Ordnung sorgt. Zurzeit schiebt er allerdings nur Innendienst, um sich zu schonen, was sich leider rasch auf die Quote ausgewirkt hat. Natürlich negativ. Denn auf der Straße kann Fedder seine Schlagfertigkeit, die nicht zwingend in den Drehbüchern steht, die aber das Publikum so unwahrscheinlich an ihm liebt, viel besser ausreizen als hinter dem Schreibtisch oder beim Kaffeekochen. Schließlich ist Dirk Matthies niemand anderes als er selbst: ein gestandener Kerl vom Kiez, einer mit Kanten und Kerben, und nicht mal das ist geschwindelt.

Hier auf St. Pauli ist Jan Fedder geboren. Und behütet aufgewachsen: die Mudder Tänzerin, der Vadder Kneipier. Aber die Fedders schlossen ihre Gaststätte Zur Überseebrücke schon um 18 Uhr, damit ihre Söhne Jan und Oliver möglichst nicht in Kontakt mit betrunkenen Seeleuten, Freiern und Prostituierten geraten konnten. Jan Fedder blieb trotz so mancher Versuchung anständig, lernte auch was Anständiges. Aber den Beruf des Speditionskaufmanns übte er nie richtig aus. Er wurde Schauspieler. Stand auf der Bühne des legendären Klecks Kindertheaters, gehörte lange Jahre zum Ensemble des Ernst Deutsch Theaters, synchronisierte hier und da. Und dann holte ihn Regisseur Wolfgang Petersen 1981 an Bord von „U 96“. Und als der Bootsmaat Pilgrim gleich zu Beginn des Films besoffen durch die französischen Dünen torkelt, weiß man sofort, wo es langgehen wird. Fedders längster Satz in „Das Boot“ ist übrigens auch einer seiner berühmtesten: „Hast du Haare in die Nase? Weil, ich hab welche im Arsch, die können wir zusammenknoten.“ „Das Boot“ bedeutete nicht nur für den jungen Jan Fedder den Durchbruch im Filmgeschäft.

Jan Fedder in 400 Film- und Serienproduktionen

Aber das ist schon komisch: Da spielt einer in über 400 zum Teil großartigen Film- und Serienproduktionen mit, trägt den offiziellen Titel des „beliebtesten Volksschauspielers“, aber von Flensburg bis Oberstdorf wird Jan Fedder immer und sofort „bloß“ mit „Dirk Matthies“ gleichgesetzt. Im kommenden Jahr steht sein 25. Dienstjubiläum in dieser Rolle an, die für ihn ein bisschen Segen und Fluch zugleich ist.

„Manchmal nervt sie mich sogar“, sagt er mit seiner knorrigen, knarzigen, kehligen Stimme, die er jahrzehntelang mit zwei bis drei Packungen Dunhill und dem einen oder anderen Gin Tonic konserviert hat. Aber mit diesen zweifelhaften Freuden ist ja nun schon seit Längerem Schluss. Er sei ruhiger geworden, seit er seine Freundin Marion vor 15 Jahren geheiratet habe, trinke er sowieso nur noch zu Hause. Ein Scherz.

Doch es wäre wirklich eindimensional, Fedder bloß auf die Rolle dieses Streifenbullen festzulegen. Denn da wären ja zum Beispiel noch seine regelmäßigen Ausflüge ins beschauliche „Büttenwarder“, wo sich seit 1997 prinzipiell alles um die innige Freundfeindschaft zwischen den Bauern Kurt Brakelmann (Jan Fedder) und Arthur „Adsche“ Tönnsen (Peter Heinrich Brix) dreht. Die immer am großen Rad drehen wollen, aber stets wieder in der Güllegrube landen. Und weil Jan Fedder eben auch Kurt Brakelmann ist (oder umgekehrt), fällt der Erwerb seines alten Bauernhofs in Ecklak im Kreis Steinburg bei Itzehoe etwa in die Zeit, als der „Büttenwarder-Boom“ begann. Vorher hatte er 47 Jahre auf dem Kiez in der elterlichen Wohnung gewohnt. Auf 70 Quadratmetern. Was ihm eigentlich zu groß war, andererseits aber auch wieder nicht, denn Fedder gilt als Sammler vor dem Herrn. Es wäre müßig aufzuzählen, was er alles sammelt – von Musiktruhen bis hin zu Präserautomaten. Beschränken wir uns daher bloß auf seine etwa 30 Autos, Motorräder und Trecker, die fahrbereit, in seiner unmittelbaren Nähe, parken. Sein besonderer Stolz ist ein Messerschmitt-Kabinenroller.

Hier draußen ist Jan Fedder dann auch praktisch unerreichbar. Denn aus einer tiefen Überzeugung heraus verweigert er sich dem technischen Fortschritt. „Ohne iPad, Mobiltelefon und Internet bin ich ein reicher Mann“, sagt er. Wenn er beispielsweise zurzeit „Jan Fedder“ googeln würde, dann stünden hinter seinem Namen nur Begriffe wie „Krebs“, „Krankheit“ oder „Bauernhof“. Und „Zwangspause“. Das, sagt Fedder, sei ein guter Grund mehr, sich nicht fürs Internet zu interessieren.

Zwangspause. Für ihn nicht nur ein blödes Wort, sondern bis vor gar nicht langer Zeit der erbärmlichste Zustand. Weil er sich selbst immer als Arbeitstier gesehen hat. Doch jetzt ist die Arbeit auf Platz drei abgerutscht. „Davor kommen die Gesundheit und die Liebe. Die Gesundheit ist sogar noch wichtiger als die Liebe“, sagt Jan Fedder, der leider weiß, wovon er redet. Und so kann er seit einiger Zeit die ländliche Stille richtiggehend genießen, die „höchstens von Vogelgezwitscher oder dem Tuckern eines Treckers unterbrochen wird. Oder von Marion, die mein Schweigen nach spätestens zehn Minuten nervös macht, wenn wir mal gemeinsam übers Feld hinterm Hof starren.“ Man möchte es vermutlich gar nicht glauben, aber Jan Fedder findet es mittlerweile richtig gut, nicht sabbeln zu müssen. Allerdings sei es auch nicht so, dass er sich dann ständig Gedanken über irgendwas machen würde: „Nein“, sagt er, „es ist wirklich so. Ich komm mit mir gut klar.“ Das sei doch wunderschön, manchmal stundenlang einfach an nichts denken zu müssen. „Das Einzige, was dann eventuell an mir hochkriecht, sind vielleicht Ameisen.“ Es dürfte vermutlich ein ruhiger Geburtstag werden.