Bei der Besichtigung des Großen Saals der Elbphilharmonie bestätigt Bürgermeister Olaf Scholz Eröffnungstermin. Wie es nun weitergeht.

Hamburg. Wenn es kein spontaner Aussetzer war, war er sehr gut platziert: Bürgermeister Olaf Scholz, gerade noch von Ascan Mergenthaler (Herzog & de Meuron) für die mutige Neuordnung der Elbphilharmonie-Verantwortlichkeiten gelobt, kam ausgerechnet beim offiziellen Verkünden des Eröffnungsdatums für einen Moment ins Stocken. „Der Plan ist, dass am 11. Januar zweitausendund ...“ ging noch glatt heraus, aber erst nach einer kleinen Kunstpause im Parkett des Großen Saals folgte das erlösende „... siebzehn“. Die Radiojournalisten hatten ihren Wunsch-O-Ton von dieser Pressekonferenz hoch über der Elbe, der Politiker hatte seine Pointe. Das Abendblatt hatte bereits vor zwei Wochen berichtet, dass der Eröffnungstermin für diesen Tag geplant ist.

Genau vorgestern in zwei Jahren also soll die feierliche Eröffnung stattfinden, mit einem Konzert des NDR Sinfonieorchesters, das als Residenzorchester in dem neuen Saal dieses Recht der ersten Nacht haben wird. Verglichen mit den Querelen und Verzögerungen vergangener Bauphasen klingt das fast wie übermorgen. Und bereits im November 2016, wenige Wochen nach der geplanten Fertigstellung im Oktober 2016, soll die Plaza auf 37 Metern Höhe zwischen dem historischen Kaispeicher und dem gläsernen Neubau öffentlich zugänglich sein. Die Flitterwochen der Besucher mit diesem „sehr demokratischen Gebäude“ (Scholz) sollen also – wie auch der Spielbeginn – früher beginnen als geplant.

Intendant Christoph Lieben-Seutter kann fest planen

Mit diesem von ganz oben angesagten Termin hat nun auch Generalintendant Christoph Lieben-Seutter eine belastbare Größe, mit der er nach den Verzögerungen und peinlichen Absagen, die er seit seinem Amtsantritt anno 2007 ergebnislos durchlitten hat, verbindlich planen kann.

Wenige Wochen vor der Bürgerschaftswahl präsentierten Scholz, Kultursenatorin Barbara Kisseler, Hochtief-Projektleiter Stephan Deußer und Lieben-Seutter erleichtert die Fortschritte im „Herzstück“ des Gebäudes. Scholz sagte: „Man merkt sichtlich, was auf Hamburg an großartigen architektonischen und musikalischen Erlebnissen zukommt. Ich bin allen Beteiligten dankbar, dass wir es gemeinsam so weit gebracht haben. Wir haben eine Lösung gefunden. Ganz klar ist: Das Gebäude wird im Zeitplan fertig werden.“

Während dieser Zufriedenheitsbekundungen geht der Blick allerdings, wie von einem Magneten gelenkt, steil nach oben, bevor er die noch unvollendeten Ränge begutachtet. An der Decke sind die großen Gipsplatten der sogenannten Weißen Haut bereits montiert, deren Material in Wirklichkeit eher hellgrau ist. Ihre unterschiedlichen Formen werden für die Akustik verantwortlich sein.

Hier wurden in der letzten Woche die Baugerüste demontiert. Erstmals wurde dadurch jetzt die außergewöhnliche Architektur des Konzertsaals sichtbar. Sichtbar wurde damit auch, was man noch nicht hören kann, aber schon ahnt und hoffentlich auch bekommt: die radikale Akustik, geplant von dem japanischen Spezialisten Yasuhisa Toyota. Denn anders als in vielen klassischen Sälen in Schuhschachtelform und gewagter als in den Weinberg-Modellen à la Berliner Philharmonie wird die Bühne hier geradezu eingekesselt sein vom Publikum. Ein Effekt, der durchaus Absicht ist.

„Für uns war der Konzertsaal immer das Herzstück der Elbphilharmonie“, sagte Mergenthaler. „Die Intimität des Großen Saals kann man bereits jetzt spüren. Die Nähe zwischen Musikern und Zuhörern war uns von Anfang an ein zentrales Anliegen. Der Saal ist für seine Größe äußerst kompakt“, urteilte der Architekt. In der Einspielphase ab Oktober 2016 werden sich insbesondere die NDR-Orchestermusiker daran gewöhnen müssen, wie sie hier für ihr Publikum klingen und wie auch sie selbst sich wahrnehmen. Eine enorm wichtige kulturpolitische Baustelle für das Gelingen des gesamten Projekts namens Elbphilharmonie, auch wenn die Handwerker dann längst ausgezogen sein werden.

In drei Monaten wird das Hotel fertig

„Der Baufortschritt zeigt, dass die Zusammenarbeit seit der Neuordnung gut funktioniert“, meinte Scholz. Zur Erinnerung: Er selbst hatte sich im Herbst 2012 in die Verhandlungen mit den Architekten und Hochtief eingeschaltet. Mit dem sogenannten Nachtrag 5, der im März 2013 verkündet wurde, erhöhten sich die Gesamtkosten für das Bauwerk noch einmal um fast 200 Millionen Euro auf nunmehr 789 Millionen für den Steuerzahler. Seitdem wird nicht mehr gestritten und gebremst, sondern gebaut.

Bereits in rund drei Monaten wird das Hotel fertiggestellt sein. Dies ist der nächste Vertragstermin, der von Hochtief und den Architekten eingehalten wird. „Die Zusammenarbeit mit Hochtief ist hervorragend und konstruktiv“, sagte Mergenthaler. „Wir sind sehr glücklich über diesen Schulterschluss.“ Vor nicht allzu langer Zeit, nach jahrelangem Hauen und Stechen, traute man sich gegenseitig nicht mehr über den Weg, nun aber loben die Architekten die Qualität und die Präzision bei der äußerst schwierigen Montage der Weißen Haut. 3000 der insgesamt 10.000 schweren Gipsplatten sind bereits im Saalhimmel angebracht worden. Der Reflektor hat dort seine endgültige Position erhalten. Hochtief-Projektleiter Deußer dankte vor allem den rund 500 Handwerkern, die in Tag- und Nachtschichten dafür gesorgt haben, dass die Bauarbeiten im Zeitplan sind. „Im Laufe des Jahres werden nun auch die Ränge fertiggestellt.“ Unter der fertigen Saaldecke befinden sich kilometerlange Kabelstränge, der riesige Reflektor sorgt für den richtigen Sound und das passende Licht im Saal.

„Bei der Demontage des Baugerüstes sind in den letzten Tagen 160 Tonnen Stahl in einzelnen Teilen mit dem Lastaufzug nach unten transportiert worden“, sagte Deußer, um zu dokumentieren, mit welcher Intensität jetzt auf der Baustelle gearbeitet wird. Das ist erfreuliche Musik nicht nur in Olaf Scholz’ Ohren.

Ein 360-Grad-Panoramafoto des Großen Saals finden Sie unter www.abendblatt.de/Konzertsaal