Hamburger Olympiastarter erinnern sich: Heute schreibt Hockeyspieler Hans Plass, 88, über seine Erlebnisse in Melbourne 1956

Meine olympische Karriere begann mit vier Jahren Verspätung. Die Einladung zur Teilnahme an den Sommerspielen 1952 in Helsinki musste ich schweren Herzens ausschlagen, weil ich in Braunschweig mein Pharmaziestudium beenden wollte. Umso glücklicher war ich, vier Jahre später als 30 Jahre alter defensiver Mittelfeldspieler für die Sommerspiele in Melbourne nominiert zu werden, die vom 22. November bis 8. Dezember, also im australischen Frühsommer, ausgetragen wurden.

Unser Problem bestand darin, dass die Fluggesellschaften ihre Flieger wegen des Ungarn-Aufstands und der Suez-Krise dem Roten Kreuz zur Verfügung stellen mussten. Erst dank der Hilfe eines im Club an der Alster beheimateten Hockeykameraden, der eine Reiseagentur betrieb, konnte ein Charterflieger gebucht werden. Dieser wurde jedoch nicht nur von deutschen Athleten genutzt. Wir flogen von Hamburg über München nach Rom, sammelten ein paar Italiener ein. Dann ging es nach Belgrad, wo einige Jugoslawen zustiegen, und nach Istanbul, wo wir ein paar Türken aufnahmen. Die geplante Zwischenlandung in Beirut konnte wegen der Suez-Krise nicht stattfinden, so ging es über Teheran nach Singapur, von dort über Darwin nach Melbourne. Drei Tage und Nächte dauerte die Anreise.

Weil angesichts dieser Odyssee nur Bruchteile der Ausrüstung angekommen waren, musste ich bei einem Vorbereitungsspiel gegen Malaysia mit geliehenen, viel zu kleinen Schuhen antreten. Die Folge waren furchtbare Blutblasen, die sich so stark entzündeten, dass sich an der Achillessehne ein Abszess bildete. Die Spiele waren für mich gelaufen, bevor sie begonnen hatten; da half es auch nichts, dass ich als Apotheker der Medizinmann im Team war, der von Bayer mit einem Medikamentenkoffer ausgestattet worden war.

Die Halbfinalniederlage gegen die damals übermächtigen Inder musste ich ebenso von außen miterleben wie den 3:1-Sieg im Spiel um Platz drei gegen Großbritannien, der uns die Bronzemedaille bescherte. Als Ersatzmann erhielt ich keine Originalplakette, sondern nur ein Replikat als Erinnerung. Aber natürlich war ich trotzdem glücklich, einmal bei Olympischen Spielen dabei gewesen zu sein. Ich war davor und danach nie wieder in Australien, schon deshalb hat es sich gelohnt.

Das größte Abenteuer war allerdings die Rückreise. Ich war mit den deutschen Seglern auf eine Route gebucht, die über Sydney und Hawaii nach Los Angeles führte, von dort sollte es über New York und Grönland bis nach Kopenhagen gehen. Schwerer Sturm verhinderte die Zwischenlandung auf Grönland, der Pilot war jedoch überzeugt, es auch ohne Tankstopp bis Dänemark zu schaffen.

Er hatte aber den starken Gegenwind nicht berechnet. Kurz vor Schottland merkte er, dass kein Kerosin mehr im Tank war, so mussten wir in Prestwick notlanden, was gerade noch so gelang. Als wir schließlich in Kopenhagen ankamen, war ich einfach nur froh, es überstanden zu haben. Mit der Melbourne-Reise endete auch meine internationale Karriere.