Rund 4500 Hamburger versammeln sich relativ spontan am Montagabend, um gegen die Pegida-Bewegung in anderen Städten zu protestieren.

Altstadt. „Ich bin hier, weil ich es als meine Bürgerpflicht ansehe, rechtsradikalen Strömungen keinen Zentimeter Raum zu geben“, sagte Uwe Grund, 62, aus Lurup. Andrea Azadi aus Eimsbüttel, 56, ärgerte sich schon seit Längerem: „Mich nervt es einfach, was die da in Dresden jeden Montag machen. Von solchen Menschen bin ich enttäuscht.“ Und für den Bergedorfer Klaus Jochimsen, 60, war klar: „Die Pegida hat gerade die christliche Religion missbraucht, indem sie Weihnachtslieder angestimmt haben, um angeblich die christlich-jüdischen Werte zu verteidigen: Denn unter den Pegida-Anhängern gibt es nur sehr wenige Christen, aber viele Antisemiten.“

Uwe Grund, Andrea Azadi und Klaus Jochimsen waren zwei von annähernd 4500 Menschen (nach Polizeiangaben, die Schätzungen schwankten) aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen und Gruppen, die am Montagabend auf einer Kundgebung am Glockengießerwall dafür einstanden, dass sie kein Verständnis für ausländerfeindliche und rassistische Parolen aufbringen – und dass Hamburg eine weltoffene Stadt sein sollte. Der Tenor lautete: „Hey, Pegida und AfD – ihr seid uns peinlich!“ Und: „Wir heißen die Flüchtlinge ausdrücklich willkommen!“

Die Veranstalter von Tegida – die Abkürzung steht für „Tolerante EuropäerInnen gegen die Idiotisierung des Abendlandes“ – sprachen von einem Erfolg, mit dem sie noch vor wenigen Tagen „so noch nicht gerechnet hatten“. Allein auf der Facebook-Seite hatten über das vergangene Wochenende sich rund 5000 potenzielle Teilnehmer angekündigt, die mit dieser Versammlung einen Kontrapunkt gegen die Dresdner „Pegida“-Bewegung (steht für „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) setzen wollten.

Am Montag riefen noch einige Parteien, etwa die Jugendorganisation der Hamburger FDP und die Grünen, zur Teilnahme auf. Etwa zeitgleich fanden in zehn weiteren großen deutschen Städten ähnliche Veranstaltungen statt – in Köln und Stuttgart beispielsweise versammelten sich 8000 bzw. 12.000 Menschen gegen die „Idiotisierung des Abendlandes“.

Doch wegen des extrem kurzen Vorlaufs war auch die Zahl der Hamburger Tegida-Teilnehmer durchaus bemerkenswert. So wurde aus dem eigentlich geplanten „friedlichen Beisammenstehen“ plötzlich eine Kundgebung, auf der dann offenbar ziemlich spontan einige kurze, programmatische Reden gehalten wurden: Hendrikje Blandow-Schleger von der Flüchtlingshilfe Harvestehude etwa forderte die Hamburger dazu auf, „ihre Herzen und Köpfe zu öffnen. Wir wollen verhindern, dass die in Deutschland in Not lebenden Menschen gegen Flüchtlinge und Migranten aus Krisengebieten ausgespielt werden.“

Die Ehrenvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Wilma Simon, stieß ins gleiche Horn: „Wir stehen hier für Offenheit und Toleranz. Das ist der Leitgedanke unserer praktischen Arbeit im Wohlfahrtsverband – und eben auch für Flüchtlinge und Migranten!“ Sidonie Fernau, 27, ihre Mutter ist Jamaikanerin, ihr Vater Palästinenser, die auf dem Landeslistenplatz 29 der Hamburger Grünen steht, aber „ebenfalls als Privatperson gekommen war“, äußerte unter großem Beifall der zahlreichen Zuhörer ihre Besorgnis, „dass mit der AFD im Februar bei den Bürgerschaftswahlen eventuell wieder eine rechtspopulistische Partei in das Parlament einzieht. Aber es ist ein gutes Gefühl, hier zu stehen und zu sehen, wie viele Menschen erkennen, dass etwas in unserem Land nicht richtig läuft.“

Die Kundgebung auf dem Glockengießerwall verlief völlig friedlich

Die Kundgebung am Glockengießerwall, die übrigens absolut friedlich verlief, war von Horst Schneider, 55, Abgeordneter der Linksfraktion in der Bezirksversammlung Hamburg-Altona, organisiert worden. Er war als Veranstalter sozusagen eingesprungen. Denn als im Verlauf des vergangenen Wochenendes immer deutlicher geworden war, dass sich Tegida zu einer größeren Kundgebung entwickeln würde, hatte sich die ursprüngliche Initiatorin zurückgezogen. Sie hatte ihren – sicherlich nachvollziehbaren Schritt – mit „der erhöhten Verantwortung und Organisation, die sie als Privatperson alleine nicht mehr stemmen könne“, begründet.

Schneider, der nach eigenen Angaben „Soziales, Integration, Gleichstellung und Flüchtlinge“ zu seinem politischem Hauptbetätigungsfeld zählt, betonte, dass es sich bei der Kundgebung keineswegs um eine parteipolitische Aktion gehandelt habe. „Auch wenn jetzt meine Partei, die Linke, die Grünen, die Piraten, die Aktion „Recht auf Stadt“ und weitere politische Gruppen sich an den Tegida-Zug angehängt haben, ist und bleibt es eine Privatveranstaltung. Ich habe das als Mensch gemacht, denn es geht mir um einen breiten gesellschaftlichen Konsens“, sagte er. Und fügte hinzu: „Einwanderer und Migranten bereichern uns. Wir brauchen Vielfalt und keine Einfalt. Wer aus Angst vor wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Abstieg die Schwächsten als Sündenböcke missbraucht, hat nichts verstanden und lässt sich vor den Karren der rechtsradikalen Populisten spannen.“