Viele Hamburger an Bord der „Hanseatic“. Gottesdienst auf hoher See. Crew und Reisende feiern gemeinsam

Staunend stehen die Passagiere auf den Decks: Bis zum Horizont ist alles weiß. Die Passage ins Weddell-Meer in der nördlichen Antarktis beschert den Gästen des Hamburger Kreuzfahrtschiffs „Hanseatic“ am ersten Feiertag weiße Weihnachten. Überall treiben Packeis und Tafelberge, die See ist spiegelglatt, der Himmel blau. Wenig später ziehen die Gäste Gummistiefel und ihre Rettungsweste an. Und los geht’s zu einem Erkundungstörn in den wendigen schwarzen Schlauchbooten (Zodiacs) durch die schwimmende weiße Pracht.

„Abenteuer Antarktis“ heißt die fast vierwöchige Weihnachtsreise von Ushuaia (Feuerland) über die Falklandinseln und Südgeorgien mit der alten Walfängerkirche in Grytviken bis zur Antarktischen Halbinsel. 125 Passagiere sind an Bord, darunter mehr als 50 Alleinreisende. Der Luxustörn ist in diesem Jahr fest in Hamburger Hand: Kapitän Carsten Gerke, 38, lebt in St. Georg, wenn er nicht gerade auf den Weltmeeren unterwegs ist. Expeditionsleiter Arne Kertelheim, 50, ist ein Barmbeker Jung. Navigationsoffizier Eddi Lissow, 30, wurde ebenfalls in Hamburg geboren und wohnt sonst in Ottensen. Kreuzfahrtdirektorin Ulrike Schleifenbaum hat ihre familiären Wurzeln in Volksdorf. Und ich begleite als ehrenamtlicher Kreuzfahrtseelsorger im Auftrag der Nordkirche und Abendblatt-Redakteur diese Reise ans andere Ende der Welt – rund 14.000 Kilometer von Hamburg entfernt. Während es in Deutschland bereits gegen 16 Uhr dunkel wird, geht die Sonne hier erst um 23 Uhr unter, um gegen 2.30 Uhr wieder aufzugehen.

Weihnachtsstimmung kommt in diesen Tagen bei den Crewmitgliedern allerdings eher selten auf. Wo Tafeleisberge auftauchen, Stürme das Schiff schaukeln lassen, sich praktisch jede Minute das Wetter ändern kann und Passagiere ein anspruchsvolles Programm erwarten, bleibt keine Zeit für große Gefühle. „Das Fest möchte man doch eigentlich zu Hause verbringen“, sagt der Kapitän. Es ist sein siebtes Christfest auf hoher See und die 15. Reise in die Antarktis. Für Eddi Lissow, der den Crew-Chor leitet, ist es das erste Weihnachtsfest auf einem Kreuzfahrtschiff. Er hat mit seinen rund 50 Chormitgliedern intensiv für den Auftritt Heiligabend geprobt.

Als der Crew-Chor „Stille Nacht“ und das philippinische Weihnachtslied „Pasko Pasko“ singt, erreicht der Heilige Abend in der Explorer Lounge seinen Höhepunkt. Mit Cocktailgläsern lauschen die Gäste dem besinnlichen Programm, bei dem auch die christliche Botschaft nicht fehlt. Dafür bin ich verantwortlich. Zudem überbringe ich Weihnachtsgrüße der Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs und einen persönlichen Weihnachtsbrief an die Gäste von Weihbischof Hans-Jochen Jaschke.

Damit das Festprogramm gelingt, dafür sorgt Kreuzfahrtdirektorin Ulrike Schleifenbaum. Sie fährt seit 14 Jahren zur See und bringt die Passagiere bei den Anlandungen auch gern selbst in den wellenerprobten Zodiacs ans Ufer - zu Pinguinkolonien, Seebären und drei Tonnen schweren See-Elefanten. „Man muss“, sagt sie, „immer einen Plan B haben. Und C und D und F.“ Denn sehr schnell kann das Wetter die Planung kippen, „und da müssen Alternativen geschaffen werden“, fügt sie hinzu.

Beim Weihnachtsprogramm an Bord kam es ihr darauf an, dass die 125 Passagiere und 122 Crewmitglieder gemeinsam – und nicht getrennt – ein schönes Fest erleben. „Deshalb war es mir wichtig, Gäste und Besatzung zum Heiligen Abend zusammenzubringen.“

Auch kulinarisch waren Crew und Reisende Heiligabend vereint. In der Crewmesse ließ Küchenchef André Rühlow Weihnachtsgänse mit Klößen und Rotkohl servieren. Das traditionelle Gericht kam auch im feinen Marco-Polo-Restaurant für die Kreuzfahrer auf den Tisch. Und für die philippinischen Mitarbeiter wurde wunschgemäß Spanferkel zubereitet. Die 60 Gänse hatte der Küchenchef bereits im August geordert. Für die Weihnachtsreise zur antarktischen Halbinsel stehen 1400 verschiedene Lebensmittel, 45 Arten Fisch, 75 Wurst- und 45 Käsesorten zur Verfügung. Das letzte frische Gemüse vor dem Törn ins ewige Eis wurde auf den Falklandinseln gekauft. Von dort stammen auch die Weihnachtsbäume an Bord. Sie wurden extra zu diesem Zweck von einem Farmer gepflanzt.

Bis März werden Kapitän, Kreuzfahrtdirektorin, Offiziere und Expeditionsleiter an Bord des Schiffs bleiben, dessen meiste Zodiacs (Schlauchboote)den Namen hanseatischer Persönlichkeiten wie die Lieselotte Powalla und Hans Albers tragen. Dann wird der nahende Frühling die nach Hause kommenden Polarfahrer zu Spaziergängen in ihrer Heimatstadt locken. „Ich freue mich schon jetzt auf meine Lieblingstour vom Hafen bis zum Chilehaus“, sagt Arne Kertelheim.