Ortstermin auf dem Weihnachtsmarkt Santa Pauli. Zwischen Operettenhaus und Davidwache geht es bis in die Nacht rund.

St. Pauli. Süßer die Glocken selten klingen. In diesem Sinne hat sich vor dem Strip-Zelt am Rande des Weihnachtsmarktes Santa Pauli eine Dauerschlange gebildet. Im Halbstundentakt wird aus weniger vielleicht mehr. Zur Abwechslung schlägt um 22 Uhr für Frauen die Stunde wahrhaftiger Herrlichkeit. Mancher würzt die Wartezeit mit einem Glühwein.

Doch um den Vorabend des zweiten Advent einen Hauch frivoler als sonst zu erleben, bedarf es auf dem festlich geschmückten Spielbudenplatz keiner Showeinlagen. Zwischen allen möglichen Getränkebuden und Futterstationen kann – mehr oder weniger – lustvoll der Sünde gefrönt werden. Wer den Kollegen am Arbeitsplatz die aktive Teilnahme beweisen will, kommt an einer „Blitzbude“ zum Ziel: zum Peepen.

Ein Laden aus dem Odenwald bietet Holzspielzeug für den nicht jugendfreien Gebrauch feil, auf Hochglanz poliert und in neckischen Farben. Badekugeln gibt’s in den Duftkompositionen „Rote Leidenschaft“ oder „Sinnliche Verführung“. Wahrsagerin Norma verspricht Hilfe in allen Lebenslagen. Handschellen und Peitschen sind zu sehen, auch ufoähnliche Gerätschaften mit vibrierendem Charakter. Es wird mehr geguckt und gelacht als gekauft. Wer es diskreter schätzt, erwirbt erotische Überraschungstüten für zehn oder 20 Euro. „Erwachsenenkram“ heißt die sündige Meile mit den einschlägigen Holzhütten. Sogar Modeschmuck der anderen Art wird angeboten: Intim-Piercing an Ort und Stelle.

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Besser so also, dass die Erwachsenen unter sich bleiben. Am Wochenende geht’s zwischen Operettenhaus und Davidwache bis ein Uhr nachts rund; während der Woche ist um 23 Uhr Abpfiff. Eine Handvoll Sicherheitspersonal in grünen Jacken hat die Ruhe weg. Angeglühten Radaubrüdern wird auf den ersten Blick klar, wer im Zweifel der Stärkere ist. Insgesamt jedoch ist Frohsinn Trumpf: Wer laute Geselligkeit liebt, ist bei Santa Pauli richtig. Die Eigenwerbung für „Hamburgs geilsten Weihnachtsmarkt“ scheint zu ziehen. Am Wochenende ist es brechend voll, sodass man kaum vorwärts kommt.

Unter die vielen ausländischen Gäste hat sich auch ein Trio aus Taiwan gemischt. Steven Lee, Manager der Oettinger-Brauerei aus Taipeh, weilt zu Geschäftsbesuch in der Hansestadt. Seine 23 Jahre alte Tochter Lillian ist aus ihrem Studienort Würzburg mitsamt Freundin Grace Li angereist. Alle drei machen große Augen, wie die Norddeutschen Advent zu feiern pflegen. Insgesamt kommt das Remmidemmi bei den Asiaten gut an.

Andere Besucher meckern über deftige Preise. In der Tat vergällt ein matschiges Brötchen mit einem Anflug von Spanferkel und etwas Sauerkraut für 6,50 Euro den Appetit. „Das ist Nepp“, raunzt einer. Fischbrötchen, Auberginentaschen oder Kräuterbrote sind günstiger und besser. Auf dem „Winterdeck“ werden Getränke mit so ausgefallenen Namen wie „Bordsteinschwalbe“ oder „Nussknacker“ ausgeschenkt. Und wer auf weniger Hartes steht, zwirbelt sich eine „Glüh-Cola“ hinter die Kiemen.