Landgericht verurteilt 27 Jahre alte Mutter wegen Mordes an der dreijährigen Yagmur. Auch der Vater muss in Haft

Neustadt. Auch am Ende rinnen ihr keine Tränen über das Gesicht. Keine sichtbare Trauer um ihr gequältes Kind, keinerlei Anflug von Schuld an dem viel zu frühen Sterben der kleinen Yagmur stehlen sich in ihre Züge. Nur ein nervöses Zucken um Augen und Mund lässt erahnen, wie angespannt Melek Y. in diesen Augenblicken ist, da es um sie selber geht und um ihre Zukunft: Die Mutter der zu Tode geprügelten Dreijährigen erhält lebenslange Haft wegen Mordes.

Gegen den Vater, Hüseyin Y., verhängt das Schwurgericht viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen. Das Verfahren sei für alle „in mehrfacher Hinsicht bedrückend und belastend“ gewesen, sagt der Vorsitzende Richter Joachim Bülter in der Urteilsbegründung. Man habe „immer vor Augen gehabt, wie sehr die kleine Yagmur gelitten hat“. Darüber hinaus sei die Erkenntnis erschütternd, dass es vonseiten der Behörden „Versäumnisse und Fehlentscheidungen“ gegeben habe und diverse „Unzulänglichkeiten zutage getreten“ seien. „Aber das ändert nichts an der Schuld der Eltern“, betont der Vorsitzende.

Melek Y. habe einen Mord aus Grausamkeit begangen, so das Gericht. Anders als die Staatsanwaltschaft es gefordert hatte, stellt die Kammer nicht die besondere Schwere der Schuld fest. Damit könnte die 27-Jährige nach Ablauf von 15 Jahren erstmals einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung stellen. Beide Eltern werden zudem wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen verurteilt, der Vater durch Unterlassen.

Hüseyin Y. nimmt das Urteil mit unbewegtem Gesicht zur Kenntnis. Weder Verteidigung noch Staatsanwaltschaft schließen aus, in Revision zu gehen.

Das Gericht ist überzeugt, dass es ausschließlich Melek Y. war, die die Tochter mit Schlägen, Kniffen und Tritten quälte, mit zunehmender Gewalt, und ihr damit unermessliches Leid zufügte. Ein kleines Mädchen, das in seinen letzten Wochen keinen Augenblick schmerzfrei war und beständig in der Angst leben musste, dass die Mutter wieder zuschlagen könnte. Der Vater Hüseyin Y. habe nicht verhindert, dass seine Tochter misshandelt wurde und letztlich an ihren Verletzungen starb, obwohl der 26-Jährige dazu „Handlungsmöglichkeiten“ gehabt habe. Der Vater habe „auf das Prinzip Hoffnung gesetzt“, dass es nicht zum Tod kommen werde, so der Vorsitzende Richter. Dabei wäre „entschlossenes Handeln notwendig gewesen. Sie hätten viel, viel mehr tun müssen.“ In seinem letzten Wort hatte der Vater geäußert, er sei der Einzige gewesen, der seinem Kind hätte helfen können. „Ich habe Yagmur geliebt“, hatte er unter Tränen gesagt.

Die Dreijährige war kurz vor Weihnachten 2013 in der Wohnung ihrer Eltern an den Folgen schwerer Misshandlungen gestorben. In der Gerichtsmedizin wurden 83 Verletzungen festgestellt, Hämatome, Narben, ein gebrochener Ellbogen, darüber hinaus war fast jedes Organ des Mädchens schwer geschädigt. Letztlich war ihr Organismus durch die Folgen der massiven Gewalt zusammengebrochen. „Das Kind hat sehr, sehr gelitten“, hatte ein Gerichtsmediziner formuliert und die Schäden als „ungewöhnlich und extrem“ bezeichnet. Die Mutter hatte wiederholt versucht, die Verletzungen zu überschminken. Sogar Yagmurs Leiche schminkte sie, bevor der Notarzt kam.

Die Mutter habe nach Yagmurs Geburt im Oktober 2010 zwar „durchaus Gefühle“ für ihr Baby gehabt, sagt der Richter, dann aber eine schwere Bindungsstörung entwickelt und ihre Tochter zunehmend für alles verantwortlich gemacht, was sie in ihrem Leben als schlecht empfand. Yagmur, die zunächst in der Obhut einer Pflegemutter aufwuchs und nur für kurze Aufenthalte zu Mutter und Vater kam, musste nach einem Wochenende bei den Eltern in die Klinik, wo eine lebensbedrohliche Hirnblutung festgestellt wurde. Gut sechs Monate später kam das Kind dann dauerhaft zu den Eltern. Immer häufiger hatte das Kind Kratzer und Hämatome. Zuletzt nahm die Mutter das Mädchen aus der Kita, weil sie „es der geschulten Beobachtung entziehen wollte“. Als Yagmur drei Jahre alt wurde, vertraute sich der Vater einem Cousin an und meinte, er glaube, Melek Y. schlage und hasse die Tochter.

Spätestens zwei Wochen vor dem Tod des Kindes am 18. Dezember vergangenen Jahres habe die Mutter erkennen müssen, dass der Tod der Tochter möglich sei, ist das Gericht überzeugt. Trotzdem habe sie immer weiter auf den ungeschützten Kopf und den Hals des Kindes eingeprügelt und somit mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt. Ob Melek Y. es je vor sich und anderen zugibt, dass sie ihr Kind getötet hat, diese Frau, die mit unergründlicher Miene und gestrafften Schultern den Saal verlässt? Ein psychiatrischer Sachverständiger hatte gesagt, derzeit sei es wahrscheinlich, dass sie sich „die Tat nie eingestehen wird“.