Hamburg. Weil er die Behandlung einer 94-jährigen Frau in einem Seniorenheim als Unrecht empfand, setzte sich Altenpfleger David K. über die Vorschriften hinweg – mit der Folge, dass sich die Bewohnerin bei einem Sturz aus dem Bett verletzte. Seit Donnerstag muss sich der 31-Jährige vor dem Amtsgericht St. Georg verantworten, nachdem er gegen einen Strafbefehl über 1200 Euro Einspruch eingelegt hat. Hat er sich der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht? Oder war seine „Gewissensentscheidung“ rechtens?
Der examinierte Altenpfleger arbeitete als Beschäftigter einer Zeitarbeitsfirma vom 15. Mai an für vier Tage nachts in der Senioreneinrichtung in der Finkenau. Seit einiger Zeit werden dort unter die Matratzen von bettlägerigen Senioren Schwimmnudeln gelegt. Mit den dick gepolsterten Schaumstoff-Röhren werden die Matratzen um rund zehn Grad angehoben, damit die alten Menschen nachts nicht aus dem Bett stürzen. Die Schwimmnudel kann in geeigneten Fällen drastische Methoden wie Fixierungen durch Bauchgurte oder auch Bettgitter ersetzen.
Im Fall der inzwischen verstorbenen Emma S. sah David K. keinen Grund für den Einsatz der Nudel: Die demente Frau hätte sich ohnehin kaum bewegen können. Er habe den Einsatz des Hilfsmittels als „freiheitsentziehende Maßnahme“ empfunden. In der Nacht zum 17. Mai stürzte Emma S. aus dem Bett, erlitt ein zwölf Zentimeter langes Hämatom am Arm.
Die Staatsanwaltschaft legt David K. mangelnde Sorgfalt zur Last: Hätte er sich genauer mit der Seniorin und den Vorschriften befasst, hätte der Unfall vermieden werden können. Das bestreitet der Angeklagte. Weder sei ihm mitgeteilt worden, dass die alte Dame sturzgefährdet sei, noch habe er Aktenzugriff gehabt. David K. sei sehr wohl informiert worden, sagt indes Wohnbereichsleiterin Jennifer K. Nachdem er in der ersten Nacht alle Schwimmnudeln entfernte, sei er über deren Sinn aufgeklärt worden.
Trotzdem habe er in der folgenden Nacht genau dasselbe getan. Nach dem Unfall der Seniorin habe sie ihm zudem einen Brief zum Thema geschrieben. „Wir waren erschrocken, dass jemand, der Frau S. kaum kennt, eine komplette körperliche Einschätzung vornimmt.“ Der Prozess wird fortgesetzt.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg